: Der Vernetzer
■ Im taz-Culture-Club: Narziss Göbbel, Rheinländer, fußballernder Kulturanimateur
Was stellt ein Rheinländer an, den die berufliche Karriere in die flachnordische Diaspora verschlagen hat und der das mit einigermaßen unbeschädigter Identität überleben will? Er produziert Klüngel. Wenn dieser Rheinländer Soziologe ist, nennt er das „Vernetzung“. Und wenn dieser Mensch dann Narziss Göbbel heißt, lebt er auch davon.
Der akademische Bruchteil Bremens kennt Narziss Göbbel als gewesenen umtriebigen Hochschullehrer, als einen, der in die Idee des Projektstudiums - verschiedene Fächer tragen zu einem studentischen Projekt bei - immens viel Zeit und Kraft investierte. Als MiSo, als „Mittwochssozialist“, gehörte er einer Gruppe sozialistischer Hochschullehrer an, die sich mittwochs traf und Hochschulpolitik für die linke Kaderschmiede trieb. Die Bremer Kulturszene kennt Göbbel eher vom Kampf um den Erhalt des Schlachthofs her, an dem der Hochschullehrer mit StudentInnen über das Projekt „Kultur und Öffentlichkeit“ beteiligt war. Oder vom „Modellprojekt Kulturanimation“ her, einer Initiative zur kulturellen Förderung der Bremer Randlagen. Den Werderfans sollte der Name des Vereinsmitglieds und begeisterten Fußballspielers Göbbel auch etwas sagen, steht er doch für das erste deutsche „Fanprojekt“ — eine inzwischen etablierte Institution, die sich um Fußballfans kümmert (ursprünglich ein studentisches Projekt).
hierhin bitte den
halbdunklen Herrn
Wohin es den klassischen Vollblutsoziologen bisher im Leben verschlug, er spann Fäden, brachte Leute zusammen, organisierte Diskussionszusammenhänge, sprach Projekte ab, sprengte Fachdisziplinen. Ein Vernetzer. 1946 am Fuß des Dachsteins in Österreich geboren, wuchs Göbbel in Düren bei Köln auf. Er ging mit dem berühmten Kölner Vorstopper Karl- Heinz Schnellinger zur Schule. In Bochum begann er 1966 das Soziologiestudium. Dort trat er auch der (nicht schlagenden!) Studentenverbindung „Germania“ bei, in der er es später in Göttingen bis zum „Fuchsmajor“ brachte. Als er allerdings in Göttingen am Soziologischen Institut an den ersten Vorlesungssprengungen teilnahm und sogar am Verbindungshaus eine rote Fahne hißte, war die Burschenschaftszeit vorbei. Nach Münster gewechselt, studierte Göbbel im Nebenfach Me
dienwissenschaft. Dort engagierte er sich in den berühmt-berüchtigten Roten Zellen, frühe Spontis, die in Aktionen radikal, in der Politik reformfreudig waren.
Nach Bremen folgte Göbbel 1974 dem aus Münster bekannten Medienwissenschaftler Franz Dröge; er wurde als Hochschullehrer per Zeitvertrag angestellt mit der Aussicht, dereinst fest übernommen zu werden. Er steckte viel Arbeit in Projektideen, in die Erwachsenenbildung und hat, trotz Promotion, zu wenig an die eigene Fachqualifizierung gedacht. Er habe sich dabei verschlissen, meint Göbbel selbst rückblickend. Er gehörte denn auch nicht zu denen, die Mitte der Achtziger fest verbeamtet wurden, was für ihn das Ende der Unikarriere bedeutete. Mit einer „bestimmten Bitterkeit“ erfüllt ihn heute noch die Tatsache, daß für die „Zeitleute“, deren Verträge ausliefen, „kein Mensch was getan hat“.
Kurzzeitig pädagogischer Leiter einer Bildungsstätte bei Köln, holte ihn Ende '87 das Referat „Kulturelle Breitenarbeit“ der Kulturbehörde nach Bremen zurück, um mit ihm eine ältere Göbbel-Idee zu realisieren: „Kulturanimation“. In den Neubaugebieten Bremens, Tenever, Huchting, Lüssum, Grohn, sowie in Gröpelingen, sollten „Kulturbüros“ als Zentren kultureller Animation eingerichtet werden. Der (Haushalts)-Trick: Die „Animateure“ waren arbeitslose LehrerInnen / SozialpädagogInnen, die zugleich Arbeit und Qualifizierungschancen bekamen. ABM- Fälle mithin, wie dem Arbeitsamt nach „einem Jahr powern“ klargemacht werden konnte. Das Projekt wurde ein Erfolg: Neun der
zwanzig Beteiligten stehen mittlerweile in Lohn und Brot. Drei MitarbeiterInnen beschäftigt das Projekt über das „Stammkräfteprogramm“ des Arbeitssenators; dazu mußte allerdings die Trägerschaft auf einen privaten Verein übergehen (in dem die Behörde sitzt, ein brementypischer Filzfall).
Jüngstes Kind Göbbels ist das „Modellprojekt Kulturwerkstätten“ (s.taz v. 20.10.90), ein auf zehn Jahre angelegter Versuch, die kulturelle Breitenarbeit in Bremen neu zu strukturieren. Vorhandene Zentren wie der „Schlachthof“ oder das „Haus am Deich“ bekommen so etwas wie kulturpädagogische BeraterInnen (Arbeitslose mit Qualifizierungsmöglichkeit), um ihre Arbeit zu koordinieren, neue Schwerpunkte zu diskutieren, Kontakte zur Forschung herzustellen usw..
Netzkunst!
Stets voller Ideen, ist der Vernetzer ein kulturpolitischer Vordenker in Bremen. Eine delikate Frage, wer ihn eigentlich bezahlt. Er sitzt zwar in den Räumen der Kulturbehörde, gehört ihr dienstrechtlich aber nicht an. Formal bezahlt ihn die Bund-Länder- Kommission für die Auswertung des Projekts „Kulturanimation“. Sein Vorgesetzter ist Senatsdirektor Reinhard Hoffmann. Derselbe, dem Narziss Göbbel das Ende seiner Unikarriere zu verdanken hat. Netzkunst!
Burkhard Straßmann
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