Diepgens furioses Schattenkabinett

■ Neben erfahrenen Politprofis wird auch der umstrittene FU-Präsident Heckelmann aufgeboten/ Immerhin: Der rührige Neuköllner Baustadtrat Branoner ist für Diepgen ministrabel/ Soll Berlin wieder auf Pieroth anstoßen müssen?/ Fünf Frauen

Berlin. Kein Schattenkabinett soll es sein, nein, ein »Wahlkampfteam«, das aber auch »Führungspositionen« in der künftigen Regierung und Fraktion einnehmen solle: Mit dieser rhetorischen Umkleidung präsentierte CDU-Spitzenkandidat Eberhard Diepgen gestern sein Traumteam für den künftigen Gesamtberliner Senat. Ausdrücklich wurden die einzelnen KandidatInnen nicht für spezielle Ressorts vorgeschlagen, bei einigen stadtbekannten CDUlern aber ist die Frage schnell beantwortet, für welches Ressort sie zur Verfügung stehen. Mit von der Partie sind einige altgediente Politiker, die zum Teil auch schon Senatsämter innehatten, auf absolute Hardliner wurde aber fast ebenso verzichtet wie auf belastete Blockflöten aus dem Ostteil der Stadt.

So ist Ex-Kultur- und Umweltsenator Volker Hassemer wieder mit dabei, der das Erbe von Frau Schreyer antreten möchte. Wirtschaftsstadtrat Elmar Pieroth wird dieses Amt für ganz Berlin beanspruchen und Uwe Lehmann-Brauns, der derzeitige kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, wird als Kultursenator gehandelt. Für das Bauressort kommt Wolfgang Branoner, langjähriger Bezirksbaustadtrat in Neukölln, in Frage. Gute Chancen für ein Senatsressort haben auch der Verfassungsexperte Klaus Finkelnburg und der Bezirksbürgermeister von Zehlendorf, Jürgen Klemann. Eine Überraschung in der Liste dürfte FU-Präsident Heckelmann sein, der die Nachfolge seiner Kontrahentin Barbara Riedmüller übernehmen will. Heckelmann, der 1983 unter dubiosen Umständen zum Präsidenten der FU gewählt wurde und unter StudentInnen wie Lehrenden wegen seiner konservativen Hochschulpolitik wenig beliebt ist, ist als einziger nicht Mitglied der CDU und will es nach eigenem Bekunden auch bis zum 2. Dezember nicht werden. 1991 wird die Stelle des FU-Präsidenten neu besetzt, und es gilt innerhalb der FU als fast ausgeschlossen, daß Heckelmann es zum dritten Mal schafft, wieder ins das Amt gewählt zu werden.

Ganz klar unterrepräsentiert sind die Unionschristen aus dem Ostteil der Stadt. Nur drei der fünfzehn Kandidaten kommen aus dem Osten: die Ärztin Beate Hübner (in der CDU seit 1981), der Ingenieur Franz Niedergesäß (Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, in der CDU seit 1958) und die rechte Hand des ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, Sylvia Schultz (in der CDU seit 1989). Die Frage eine Ostjournalisten, ob denn die östliche Hälfte damit ausreichend präsentiert sei, bügelte Diepgen barsch ab: »Sie ist es.« Prominente CDU- Mitglieder wie den Fraktionsvorsitzenden der SVV, Eberhard Engler, oder CDU-Stadträte fehlen auf der Liste.

»Die CDU setzt auf Kontinuität und Erneuerung«, so charakterisierte Diepgen den Kurs für den Wahlkampf. Auf die Frage nach möglichen Koalitionen antwortete er ebensowenig wie sein Kontrahent Walter Momper. Indirekt distanzierte er sich jedoch auch von der FDP, der er eine »gewisse Unzuverlässigkeit« ausstellte. Außerdem sehe er nur geringe Chancen dafür, daß die Liberalen den Sprung ins Parlament schafften. Auch zu einer großen Koalition äußerte er sich ausweichend und war sichtlich ungehalten darüber, daß Pieroth einer solchen Koalition — auch wegen seiner Erfahrungen mit der jetzigen SPD- CDU-Koalition — eine glatte Absage erteilte. Wenig beglückt zeigte sich der Oppositionschef über einen Brief von 29 Mitgliedern seiner Fraktion an Parteichef Kohl, in dem diese sich darüber beklagen, daß die Kürzungsabsichten der Bundes- CDU in Sachen Berlinförderung die Chancen der CDU in Berlin unnötig schwächten. Der Kanzler wird in diesem Brief aufgefordert, »dafür Sorge zu tragen, daß provinzielle Profilierungsversuche aus der eigenen Partei sofort unterbleiben, da wir uns sonst nicht mehr in der Lage sehen, unsere Wähler wirksam für eine CDU-Regierung mobilisieren zu können«. Er wolle, so wand sich Diepgen auf Nachfrage, bis zum 2. Dezember zumindest eine »Tendenzaussage« in Bonn erwirken. kd