: „Gysi, Kohl und Lambsdorff können verzichten“
■ Ingrid Matthäus-Meier, finanzpolitische Sprecherin der SPD, verlangt Verzichtserklärungen zum Parteivermögen INTERVIEW
taz: Warum konzentriert sich die öffentliche Diskussion um die Parteivermögen immer noch hauptsächlich auf die PDS?
Ingrid Matthäus-Meier: Wir haben seit Monaten darauf hingewiesen: Das Unrechtsvermögen der SED/PDS, Ost-CDU, Ost-Liberalen und anderen Blockparteien gehört den Menschen in der ehemaligen DDR und muß für den Aufbau in den neuen Bundesländern und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verwendet werden.
Haben Sie konkrete Informationen darüber, in welcher Höhe Gelder der Blockparteien in die Kassen der Westparteien geflossen sind?
Rein juristisch ist das Vermögen der Blockparteien heute in Händen der fusionierten Parteien. Juristisch ist Parteichef Helmut Kohl Eigentümer des gesamten CDU-Vermögens. Das gleiche gilt für Graf Lambsdorff. Nun wird immer darauf hingewiesen, daß seit 1. Juni die Verfügungsgewalt nicht mehr bei den Parteien, sondern bei der von der Volkskammer eingesetzten Kommission ist. Das ist nicht mein Thema. Erstens zeigen die skandalösen Vorgänge bei der Geldverschiebung der PDS, daß trotz der Verfügungsgewalt der Kommission solche Schiebereien möglich sind und stattgefunden haben. Zweitens wissen wir nicht, woher wir das Geld für die Finanzierung der deutschen Einheit hernehmen sollen. Ich erinnere an die enorme Staatsverschuldung bereits in diesem Jahr und die Debatten um Steuererhöhungen. Gleichzeitig bleibt eine wichtige Fianzierungsquelle, nämlich die Einziehung dieses Parteivermögens, außen vor. Das ist eine monatelange Trauergeschichte, bisher ohne erfolgreiches Ende.
Aber wie stellen Sie sich die Lösung vor?
Sehr einfach: Die drei Parteivorsitzenden, Gysi, Kohl und Lambsdorff können morgen auf dieses Unrechtsvermögen verzichten. Dann braucht man sich nicht auf monatelange Auseinandersetzungen um Gesetzentwürfe und Einzieherei einzurichten. Wenn die sich morgen vor das deutsche Volk stellen und ihren Verzicht erklären, haben wir aus meiner Sicht mindestens zehn Milliarden für den Aufbau in den neuen Bundesländern.
Anfragen im Bundestag, treuhänderische Verwaltung, Einigungsvertrag — trotzdem bewegt sich nichts. Warum?
Daß es so lange dauert und so schwierig ist, nährt bei mir den Verdacht, daß alle Nutznießer dieses Vermögens gar kein aktives Interesse daran haben, den Zustand zu beenden. Nutznießer sind: Gysi-SED/PDS, Helmut Kohl-CDU/CSU und Graf Lambsdorff-FDP.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, doch noch etwas zu bewegen?
Die Möglichkeiten sind im Einigungsvertrag vorgegeben: Es muß untersucht werden, was ist da, und wie kann es eingesetzt werden. Dazu wird es Gesetzentwürfe geben. Aber ich betone: Dieses wird sich noch Monate hinziehen. Deshalb besteht der einfachste Weg in einer Verzichtserklärung der drei Parteivorsitzenden hinsichtlich des rechtswidrig erworbenen Vermögens. Dazu fordere ich die drei Herren auf.
Die Kategorien „rechtmäßig“ und „unrechtmäßig erworben“ sind schwammige Kriterien.
Das ist genau das Problem. Ich sehe die Gefahr, daß man über Monate und Jahre versucht, etwas als rechtmäßig erworben darzustellen, um sich so vor der Rückgabe des Vermögens zu drücken. Wäre der Wille zur Rückgabe vorhanden, könnte man hier selbstverständlich einen Schnitt machen. Unsere Kinder und Enkel zahlen noch für die enormen Zinsen der Staatsverschuldung — allein im nächsten Jahr sind es hundert Milliarden, sie zahlen dafür daß diese drei Parteien nicht bereit sind, das Vermögen herauszurücken. Nehmen wir an, die Parteien würden auf zehn Milliarden verzichten, dann würde es Grenzbereiche geben, über die ich mit mir reden lasse. Aber jetzt verzichten die drei Parteien doch erstmal auf null. Wegen der möglicherweise vorhandenen Grenzbereiche ist doch nicht davon abzulenken: Es gibt Milliarden, die sofort abzuliefern sind. Ob es am Ende fünf Millionen mehr oder weniger sind, ist nicht das Thema. Interview: Petra Bornhöft
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