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Von der Sonne verwöhnt: Crêpes per Solarstrom

■ Die erste solarbetriebene Imbißbude hat in Kreuzberg eröffnet/ In der Körtestraße gibt's Crêpes und Kaffee biodynamisch und energiesparend

Kreuzberg. Kroß und heiß müssen sie sein, die Füllung aus Schokocreme oder Apfelmus, »sonnengebräunt«, und die hauchdünnen Exemplare von Michel Collaco in der Kreuzberger Körtestraße sind tatsächlich »von der Sonne verwöhnt«. Michel ist seit zwei Wochen der erste Berliner Imbißbudenbesitzer, der seine mobile Crêperie per Solarenergie unter Strom stellt.

»Ich wollte das Energieproblem lösen«, meint der 33jährige Ex-Vollkornbäcker. Jetzt schmücken diverse Solarmodule das Dach seiner Brutzelbude. 10.000 Mark hätte die Bewag für einen Stromanschluß auf dem Gehweg verlangt. Für Michel Grund genug, sich intensiv mit Solartechnik zu beschäftigen und die Tausender lieber in Module zu investieren.

Freunde, die sich beruflich mit Umwelttechnik beschäftigen, verpaßten der Crêperie schließlich eine maßgeschneiderte Solartechnik, die natürlich auch bei Smoglage und Grauwetter für Strom sorgt. Kühlschrank, Licht und Radio leben in dem buntbemalten Kulinarium von der Sonne. »Die Module nehmen auch diffuses Licht auf und funktionieren deshalb nicht nur, wenn die Sonne scheint«, erklärt Michel, während er für die zahlreiche Laufkundschaft den Teig glattstreicht. Dreimal am Tag — morgens, mittags und abends — verstellt er die Ausrichtung der Solarflächen bei Sonnenschein. Selbst dafür aufs Dach steigen muß er deshalb nicht. Die Achsen der Module sind mit einer Drahtkordel, die im Wageninneren befestigt ist, bequem verstellbar. Bei Regen stellt er die Energieumwandler einfach in die Horizontale, wegen des diffusen Lichts.

»Schon Wochen bevor ich den Laden aufgemacht habe, haben wir in der Körtestraße Lichtmessungen gemacht.« Die Ergebnisse waren der Startschuß für Michels solarbetriebenes Unternehmerdasein. Die Crêpes selbst backt er jedoch auf zwei gasbetriebenen Platten. Und auch der Kühlschrank lebt nicht vom Solarstrom allein. »Gasbetriebene Kühlschränke sind einfach umweltfreundlicher«, weiß der Crêpe-Bäcker. Der Sonneneinfall ist nur für die elektrische Wiederzündung zuständig, wenn die Gasflamme das Zeitliche segnet.

Ob nicht jede Imbißbude mit Solarstrom köcheln könnte? »Eigentlich schon. Für Friteusen müßte dann allerdings das ganze Dach voller Module stehen«, meint Michel. Die elektrisch betriebenen Pommes- Fettbecken verbrauchen immens viel Strom. Mit Friteusen hat er aber nicht viel im Sinn. »Bei mir sind die Zutaten alle aus biologischem Anbau.« Sogar das Apfelmus für die Füllung stammt von Demeter, einer biodynamischen Genossenschaft.

Kein Wunder, daß er über seine Imbißkollegen ein wenig die Nase rümpft. Dennoch: »Ein paar Interessenten waren schon da, um sich über die Technik zu informieren.« Da seien wohl auch etliche Budenbesitzer darunter gewesen. »Den meisten Kunden fällt das aber weniger auf«, hat Michel die Erfahrung gemacht. Ihnen läuft vielmehr der Speichel, wenn sie die Crêpe-Kreationen vor Augen haben.

Auch der Kohlenhändler gegenüber bezweifelt offensichtlich die Effizienz der Sonnenenergie. Er hat extra ein Kellerfenster vom Bretterverhau befreit, damit nächstens mehr Licht auf die Bude flutet. »Der denkt, hier ist zuwenig Licht«, sagt Michel. »Da hat er auch recht. Aber ein paar Halogenlampen bau' ich sowieso noch hin. Das schaffen die Module in jedem Fall.« Christine Berger

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