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Hessens Innenminister zurückgetreten

Gottfried Milde zog Konsequenzen aus einer Abhöraffäre/ Staatsanwaltschaft ermittelt  ■ Von Heide Platen

Wiesbaden (taz) — Zwölf Minuten vor zwölf platzte gestern die Bombe im Hessischen Landtag mit eher leisem Knall. In Begleitung von Ministerpräsident Wallmann erklärte Innenminister Gottfried Milde (CDU) kurz und knapp seinen Rücktritt. Nach einer Viertelstunde war alles gesagt, die Stimmung eher gedrückt als kämpferisch, Fragen der JournalistInnen wurden nicht zugelassen.

Milde zog damit die Konsequenzen aus der Abhöraffäre, die den Hessischen Landtag seit einer Woche bewegt. Der Innenminister hatte sich in einer Aktuellen Stunde des Landtags gegen Gerüchte gewandt, die Ministerpräsident Wallmann immer wieder in Zusammenhang mit dubiosen Grundstücksgeschäften der Stadt Frankfurt mit dem inzwischen nach Israel geflüchteten Bordell-König Hersch Beker gebracht hatten. Dabei hatte er sich auf ein Telefonabhörprotokoll der Polizei berufen, das ein Gespräch zwischen dem 'Stern‘ und einem Informanten belauschte. Der Skandal eskalierte am Montag abend, als die Wiesbadener Staatsanwaltschaft ankündigte, daß sie deshalb gegen den Minister ermitteln werde. Gestern morgen hob der Landtagspräsident formal die Immunität Mildes auf.

Gottfried Milde stellte sich in seiner kurzen Rücktrittserklärung noch einmal vor Wallmann. Er habe das Abhörprotokoll nur verlesen, um aufzuzeigen, mit welchen „skrupellosen Mitteln immer wieder versucht wurde und werden sollte, den Ministerpräsidenten unseres Landes ins Zwielicht zu ziehen“. Milde erklärte weiter, nach seiner Rechtsauffassung bedürfe es eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn zwar nicht, dennoch lege er „für die Dauer der Rechtsprüfung“ sein Amt nieder. Nur so habe er „die notwendige Handlungsfreiheit“, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.

Konkret wird dem Minister vorgeworfen, illegal in den Besitz des umstrittenen Abhörprotokolls gekommen zu sein, das nur den Ermittlungsbehörden und gegebenenfalls den Gerichten zugänglich sein darf. Darüberhinaus hätte er daraus nicht zitieren dürfen. Inzwischen haben sich die Vermutungen von Insidern erhärtet, daß das Protokoll nicht nur auf dem „kurzen Dienstweg“ vom Bundeskriminalamt ins Innenministerium gelangt ist, sondern daß auch der Leiter der Staatskanzlei, Gauland, Einblick in das brisante Papier hatte. Ministerpräsident Wallmann hielt in der gestrigen Pressekonferenz nachgerade eine Laudatio auf seinen Innenminister. Der gelernte Jurist hatte — entgegen seiner gestrigen Stellungnahme — schon in der vergangenen Woche in einer regionalen Fernsehsendung angedeutet, daß er selbst Zweifel an der Richtigkeit der Verlesung des Protokolles gehabt habe.

Die Fraktionsvorsitzenden der Opposition, Ernst Welteke (SPD) und Joschka Fischer (Grüne), werteten Mildes Rücktritt als ein „Schuldeingeständnis“ und „einen längst überfälligen Schritt“. Die Staatsanwaltschaft müsse jetzt weiter ermitteln, weil Milde „nicht allein“ in die Affäre verstrickt sei. Ein Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten Spiros Simitis soll dem Landtag morgen vorgelegt werden. Simitis hatte schon im Vorfeld festgestellt, daß er „keine rechtliche Grundlage“ für die Abhöraktion sehe. Die Opposition im Landtag erwartet bis heute einen ausführlichen Bericht der Landesregierung und will für die kommende Woche eine Sondersitzung des Landtags einberufen. Die Amtsgeschäfte von Milde wird vermutlich vorerst Justizminister Karl-Heinz Koch (CDU) übernehmen.

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