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Intellektuelle Exoten auf der Mensabühne

■ Gysi gegen Franke: Wer ist der bessere Politclown? / Gysi gibt in der 3. Runde auf

Fragen gibt's, die gibt's eigentlich gar nicht, zumindest dann nicht, wenn die ReferentInnen einer Podiumsdiskussion Marieluise Beck-Oberdorf, Thomas Franke und Gregor Gysi heißen. Von denen begehrten die Juso- Hochschulgruppen, der SHB und der Bund demokratischer Wissenschaftler gestern nachmittag zu wissen, wo denn, bitte schön, die Hochschulen stehen — „links, rechts oder im Abseits“. Doch die drei stritten lieber zum Beispiel über die Daseinsberechtigung der PDS als linke Partei im allgemeinen und Gysis Rolle im besonderen.

Der, in der knüppelvollen Uni- Mensa mit lautem Applaus begrüßt, saß bescheiden, immer kontrolliert auf der Bühne und reklamierte für die PDS einen Platz im linken Spektrum. Gysi: „Es muß ein differenziertes, linkes Angebot geben.“ Eine Programmatik, die die Grüne Beck- Oberdorf, als „total schwammig“ bezeichnete. Gysi, beim Versuch, konkreter zu werden: „Wir müssen die ökologische mit der sozialen Frage verbinden. Aber ich habe keine ewigen Antworten.“ Darauf Beck-Oberdorf: „Diese Debatte haben wir hier in den letzten zehn Jahren bereits geführt.“ Und Franke: „Das sind uralte Hüte, die die Existenz der PDS nicht rechtfertigen.“

Dem Ansinnen, über die Rolle der linken Intellektuellen im neuen Deutschland zu referieren, mochte Beck-Oberdorf nicht folgen. Ihr Urteil: „Schwafelei“. Die Grüne: „Unter links kann ich mir nicht mehr so sehr viel vorstellen.“

Franke, laut wie immer, bestritt, daß die Intelligenz irgendeine besondere Verantwortung habe. „Eine besondere Politikfähigkeit ist bei Veranstaltungen intelligenter Menschen nicht festzustellen.“ Für Franke hat Intelligenz eine besondere Nähe zum Opportunismus. Seine Beispiele: zum einen den SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine und desssen „Bemerkungen zum Asylrecht“ und zum zweiten Gregor Gysi, den „intellektuellen Faxenmacher“ der Nation. Der bereichere zwar die Diskussion mit seinem darstellerischen Talent, doch zugleich sei er verantwortlich für die PDS als Partei in der Kontinuität der SED. Für Franke eine Partei ohne Zukunft: „Wenn die PDS erst einmmal eine 0,nochwas Prozent-Partei ist, wird Freund Gysi doch nicht in seine Anwaltskanzlei zurückgehen. Dann stellt er einen Aufnahmeantrag bei der SPD und setzt sich neben Herrn Schily auf die Exotenbank.“ Gysis Konter eine Runde später traf: „Ich werde mit Ihnen in keinen Wettbewerb eintreten, was den Politclown betrifft. Ich finde, ich habe verloren.“ Großer Beifall. Und kein Beifall für Frankes letzten Konter: „Ich bestreite, daß die PDS eine linke Herausforderung für die SPD werden kann.“ Gysi: „Wenn es so ist, könnte die SPD vielleicht etwas gelassener mit uns umgehen.“

Auch beim Standard-Thema Stasi-Vergangenheit war Gysi kaum zu packen. Vorwürfe von Beck-Oberdorf, daß die PDS „Arm in Arm mit der CDU“ die Aufarbeitung der Vergangeheit behindert habe, konterte er mit der Behauptung, die PDS sei die einzige Partei, die sich der Aufarbeitung der Vergangeheit überhaupt stelle — beispielsweise mit einem Seminar zum Stalinismus. Franke: „Es ist ein Witz ein Stalinismus-Seminar zu machen. Stasi, das ward Ihr.“ Inzwischen hatte sich im Saal beträchtliche Unruhe breitgemacht. StudentInnen drängten sich an den Fragemikrophonen. Doch nur drei kamen zu Wort. Wie die, die zu wissen begehrte, wie denn die Diskutanten die Entwicklung an der Bremer Uni einschätzten. Die Antwort blieb den anderen erspart. Dafür aber nicht die Einlassungen des Hochschullehrers Jens Scheer. Der erkämpfte sich das letzte Wort und rekapitulierte seinen kommunistischen Lebenstraum, während sich die Mensa langsam leerte. Holger Bruns-Kösters

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