: Wir bauen uns eine Philharmonie
■ Und wo stellen wir sie hin? Eine visionäre Kreuzfahrt mit Eberhard Kulenkampff, Rädelsführer der Bremer Philharmoniker
den distinguierten
herrn
mit
Hand
Eberhard Kulenkampff Foto: Sabine Heddinga
Er sieht aus wie ein alter Schmied und ist einer, bloß von Plänen. Wenn Bremen, was gut sein kann, in sagen wir zehn Jahren eine Große-Klasse-Philharmonie haben wird, in der dann nacheinander die Spitzenhochpreisorchester absteigen, dann findet sich darin hoffentlich noch Platz für ein Kupfertäfelchen: Lobet den Eberhard Kulenkampff, Gewoba-Chef daselbst. Er war hinter allem der Schubser.
Festgemauert in der Erden steht alle Tage die Stadt Bremen; heute aber, wo wir in Kulen
kampffs Dienstbenz darin auf Kreuzfahrt sind, ist mir, als wäre, wie im Sandkasten, ihre Erscheinung eine vorübergehende unter vielen möglichen: „Hier, dachte ich, hier müßte man ja bloß über diesen amphitheatralischen Kessel eine Glaskuppel ziehen, und da sitzt das Orchester und da das Publikum.“ Kulenkampff deutet in die Runde; wir stehen in nassem fauligem Laub auf dem ehemaligen Theaterberg, wo „bis zum Krieg“ das alte Stadttheater stand, am Wall gegenüber der Bischofsnadel. Hinter einigem Buschwerk sehen wir ein altes Paar durch ein eisernes Portal treten. „Die da gehen gerade ins Foyer“, sagt Kulenkampff, „ist ja schon alles da, auch die großen Innenstadtgaragen, der Verkehrsanschluß, alles.“ Langsam, mit vielen Rastpausen, kommen seine Sätze daher, präsentieren längst zu Ende Gedachtes.
Gut zwanzig Jahre ist es her, daß die letzte großmeisterliche Welttournee auch über Bremen ging. Seither pfeift ein anderer Wind. Wo nicht wenigstens 2000 Besuchersessel stehen, kehrt kein Orchester von Weltrang mehr ein, es rentiert sich nicht bei heutigen Preisen. Schon 1988 hatte Kulenkampff in einer Analyse für den Landesmusikrat einen großen Konzertsaal gefordert. Damals kamen gleich Klaus Bernbacher, Chef vom Landesmusikrat, und der zweite Kultursenator im Land, Friedrich Rebers von der Sparkasse, zu ihm und sprachen: „Ganz recht, und was tun wir jetzt?“ „Gehn wir los, sammeln“, sagte Kulenkampff. Bloß kam dann die Sanierung der ehrwürdigen Glocke (1200 Sitzplätze) dazwischen, da wollte man keine falschen Konkurrenzen riskieren. Hat man also gewartet. Bis vor zwei Wochen (vgl. taz vom 8.11.).
Warum gibt es nicht schon erste Skizzen? „Das geht nicht“, sagt Kulenkampff, „das muß
die Schiffe
auf dem
Fluß
Auch hier entsteht vielleicht eine Philharmonie: mitten in der Weser an der Bürgermeister-Smidt-Brücke, gegenüber dem Neuen Museum Weserburg, oder aber auf dieser Lichtung in der Gustav-Deetjen-AnlageFotos: Jörg Oberheide
dann schon architektonisch eine internationale Spitzenleistung sein. Da nützen keine Skizzen.“ Aber um Standorte hat er sich gekümmert und jetzt gleich ein paar im Angebot. „Damit es nicht heißt: eigentlich wollen wir ja, aber da gerade gar nicht.“ Immer mal wieder ist er in Gedanken durch die Stadt promeniert, die Pläne vom kölnischen Pendant im Kopf, „weil 2000 Hintern immer die selbe Fläche ergeben“, und hat probiert und erwogen. Das Gelände des aufzulösenden Güterbahnhofs? Den Rembertikreisel sinnvollerweise zu einem Knie machen und den Bau in dessen Kehle? Oder doch besser auf den Theaterberg oder aber auf eine Lichtung mitten in die lauschige Gustav-Deetjen-Anlage zunächst der Stadthalle? Wir rollen daran vorbei. Dieser Standort hätte als
hier der
park
mit der
Figur
Potentieller Standort „Theaterberg“, Wallanlagen, Höhe BischofsnadelFoto: Sabine Heddinga
Betriebsvorteil, daß er von der Stadthalle aus mitbewirtschaftet werden kann, aber Kulenkampff gibt ihm wenig Chancen. Einer vom Gartenbauamt hat den Vorschlag schon als „unerträglich“ beschimpft. „Es würde wohl an die zwölf Bäume kosten“, sagt Kulenkampff, „da wehren die sich schon zurecht. Andererseits, man wagt ja gar nicht mehr auszusprechen, daß irgendwas auf der Welt zwölf Bäume kosten darf.“
Am Kai an der Bürgermeister- Smidt-Brücke, gegenüber dem
Neuen Museum Weserburg, da schaukeln paar Schiffchen. Wenn man da, mitten in den Fluß hinein, auf schmalen Sockel so eine Riesenkonzertmuschel baute, das
wäre, sagt er, ein „absoluter Superhit, davon spräche die Welt“. Dies ist eine wahrhaftig glamouröse Idee. Wohl auch die teuerste? Das hat er aber auch schon bedacht. In dem Sockel, der die Philharmonie knapp über Flutniveau hebt, könnte man doch gleich, sagt er, zahllose Parkplätze unterbringen. Und rechnet gleich kreuz und quer, ergibt drei Geschosse mit 120 Plätzen, also 360, die sich, wg. Bedeutung für den innerstädtischen Einzelhandel tagsüber, „sozusagen selber
erwirtschaften“.
Bleiben immer noch, wohlwollend geschätzt, hundert Millionen, die irgendwer bezahlen muß. Da denkt er an ein finanzkräftiges Konsortium, welches dann, wie im Falle des Münchener Kulturzentrums „Am Gasteig“, einer städtischen Betreibergesellschaft das Gebäude per Leasing überläßt. Nach z.B. 50 Jahren würde es dann als Eigentum an die Stadt fallen. Um diesem Konsortium eine solide Eigenkapitalbasis zu verschaffen, müßte erst einmal massenhaft privates Kleingeld her. Kulenkampffs Traum ist es, sagt er, daß sich bald einmal die Verbände der gutverdienenden Freiberufler, also Ärzte, Anwälte undsoweiter, maßgeblich einschalten. Das sind die potentiellen Aktionäre seines Projekts: Leute, „die ja irgendwie von einem gewissen kulturellen Niveau leben.“ Ihnen könnte man ja sowas wie ein großes „Philharmoniesparen“ anbieten, „das müßte Herr Rebers dann übernehmen“, also Sparverträge über 10 oder 100 Mark im Monat, mit denen man „Anrechtsscheine“ für ermäßigte Karten oder sonst Dauervorteile bei der Nutzung erwirbt. „Wissen Sie, für geistig Tätige sind das doch Betriebsausgaben.“
Manfred Dworschak
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