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MACHT LENIN ZU GLOCKEN! VONANJASEELIGER

Die Insignien der einstigen Macht sind fast verschwunden. Hammer und Sichel, SED-Parolen und Honecker-Büsten findet man nur noch auf dem Trödel, und der Tag ist nicht mehr weit, an dem auch kein Orts- oder Straßenname mehr an die „Helden des Arbeiterkampfes“ erinnert.

Mit Denkmalen ist das nicht so einfach. Ihr Anspruch auf repräsentative Bedeutung und Zeitlosigkeit gemahnt irgendwie an — Kunst. Außerdem sind sozialistische Denkmale meist von gigantischem Format. Die Ernst-Thälmann-Büste am Prenzlauer Berg ist 13 Meter hoch und 15 Meter breit, das Lenin-Denkmal in Berlin-Friedrichshain ist 19 Meter hoch — damit wird der Abbau auch zur Kostenfrage.

„Die meisten sind eine reine Peinlichkeit...Man kann sie guten Gewissens ausnahmslos abräumen“, empfiehlt der Berliner Verleger Wolf Jobst Siedler der Kunstzeitschrift 'Pan‘ auf ihre Frage, was denn mit den Monumentalschinken geschehen sollte. Der Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka hält dagegen: „Es wäre ein Schaden für ‘Gesamtdeutschland' diese Denkmäler wegzunehmen... Kunst ist nun mal Zeuge der Zeit“, und nutzt die Gelegenheit, seinen Zeitgenossen eins überzubraten: „Natürlich sind das keine überragenden Kunstwerke. Aber der künstlerische Wert der Denkmäler ist mindestens gleichbedeutend mit dem der heutigen Avantgarde.“ Und wie denkt das Volk darüber?

„Hier steht Lenin nicht im Weg, der arme Kerl. Der stört mich nicht im geringsten. Was hat er mit den anderen zu tun, die uns reingeritten haben? Das hat er ja nicht gewollt“, zitiert 'Pan‘ einen unbekannten Betrachter des Friedrichhainer Lenin. 'Pan‘ wollte es genau wissen und gab eine repräsentative Umfrage in Auftrag. Das Sample Institut Mölln fragte 362 Ostberliner, ob das müde alte Marx-Engels-Paar auf dem Alexanderplatz ein erhaltenswertes Dokument der eigenen Geschichte sei: Über zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten beantworteten diese Frage mit ja. Obwohl das Denkmal den meisten (81 Prozent) nicht gefällt und auch nicht für ein Kunstwerk gehalten wird, würde es dennoch nur knapp ein Viertel (23 Prozent) der ehemaligen DDR-Bürger sofort abreißen lassen.

Aufgeschlüsselt nach dem Wahlverhalten: 37 Prozent der CDU-Wähler wollen das Denkmal beseitigt sehen, 54 Prozent halten es für ein ‘historisches Dokument'. Bei den SPD-Wähler stimmen 74 Prozent für ‘historisches Dokument', nur 20 Prozent für den Abriß. PDS-Wähler dokumentieren Geschichtsbewußtsein mit stolzen 91 Prozent, die die Statuen als „Teil unserer Geschichte“ betrachten, entwerten diese Ergebnis jedoch umgehend dadurch, daß nur 6 Prozent sie auch für ein Propagandamittel der SED halten. Bei den CDU- und SPD-Wählern sind 40 bzw. 32 Prozent dieser Meinung.

Die Umfrage hat den Schönheitsfehler, daß sie ein relativ kleines Denkmal betrifft. Damit verbieten sich Schlußfolgerungen über die Zukunft sämtlicher DDR- Monumente. Walter Momper scheint das Thema nicht sehr am Herzen zu liegen: „Die Entscheidung ob die Denkmäler entfernt werden oder stehenbleiben, sollten Politiker nicht allein treffen“, und fordert „eine breite öffentliche Diskussion.“ Vorschlag von 'Pan‘: Zu Glocken umgießen.

UMFRAGE:SOLLENDIESOZIALISTISCHENDENKMALEGESTÜRZTWERDEN?

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