: Richter gegen Schöffen
München (taz) — Daß mit dem 50jährigen Bernd Bremer, Richter am Landgericht und Vorsitzender der 13. Strafkammer, nicht gut Kirschen essen ist, war ein offenes Geheimnis. Als absoluter Hardliner gebärdete sich der Jurist vor allem, wenn Mitglieder der Friedensbewegung auf der Anklagebank saßen. Bei Blockadeprozessen kannte der Atombefürworter kein Pardon. Erstmals jedoch hat es jetzt eine Schöffin gewagt, gegen ihn mit einer eidesstattlichen Erklärung an die Öffentlichkeit zu gehen. Für Richter Bremer sind nämlich „Schöffen das Blödsinnigste und Verkehrteste, was es am Gericht gibt“, machte er die 58jährige Schöffin Eva Zintl nieder. Er sehe überhaupt nicht ein, daß er sich mit Schöffen herumplagen müsse. „Sind Sie so blöd, oder lassen Sie mich absichtlich so lange reden“, herrschte Richter Bremer die Ingenieur-Assistentin an. Grund: Drei Stunden lang versuchte Bremer nämlich, seine Schöffen zu überreden, daß Sitzblockaden von Atom- und Chemiewaffendepots strafbar und der Aufruf dazu als „öffentliche Aufforderung zu einer Straftat“, nämlich Nötigung, sei. Die Schöffen plädierten dennoch auf Freispruch für den friedensbewegten Karl W., der auf dem Münchner Marienplatz Flugblätter verteilt hatte.
„Dieser ungeheuerliche Vorfall liegt auf der Linie dessen, was wir von Richter Bremer schon kennen“, empört sich der Münchner Rechtsanwalt und Mitglied der Initiative Bayerischer Strafverteidiger, Kai Wagler. Die Initiative hat bereits überlegt, Strafanzeige gegen den Richter zu stellen. Es wäre nicht die erste. Schon vor zwei Jahren zeigten die Strafverteidiger Bremer wegen Rechtsbeugung an. Zweimal nämlich bastelte der sture Richter bei Blockadeprozessen Freisprüche mit eingebauten Bumerang. Weil seine Schöffen nicht verurteilen wollten, spickte er den Freispruch mit Rechtsfehlern, so daß damit die Aufhebung vor dem Bayerischen Obersten Landgericht vorprogrammiert war. Die damalige Strafanzeige wurde jedoch abgeschmettert.
Für seine Rechtssprechung bei Sitzblockaden hat sich das Oberste Bayerische Landgericht inzwischen sowieso eine Watsch'n aus Karlsruhe eingehandelt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte nämlich die Verurteilung einer Münchner Altenpflegerin wegen Aufruf zur Nötigung für verfassungswidrig. Doch die bayerischen Richter sind stur und verbissen. Die Verhandlung der Friedenskämpferin wurde jetzt — vier Jahre nach der „Tat“ — zur Beweisaufnahme an das Landgericht zurückverwiesen. Luitgard Koch
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