: Das E.B.-Syndrom
■ Die bayerische Justiz spricht ein beherztes Urteil JUGENDFREIEGLIMMERFILME
Vor drei Tagen war es soweit. Das Oberlandesgericht München fällte die von den Betroffenen langerwartete Entscheidung. Richter Brösch in seiner Urteilsbegründung: »Personen, deren berufliche Tätigkeit nachweisbar durch das E.B.-Syndrom beeinträchtigt ist oder deren Infizierung mit dieser Krankheit (Esprit Blonde) nachweisbar ist, sind als im Sinne des Gesetzes psychisch krank einzustufen und somit als Entscheidungsträger untauglich.«
Chefarchitekt Werner Baierle, in dessen Büro der Angeklagte angestellt war, ist sichtlich erleichtert: »Der junge Mann kam gerade frisch von der Ausbildung, ein erfolgversprechender Yuppie, feste Bindung, Kleinwagen geleast, Anzug gekauft. Ein völlig unauffälliger technischer Zeichner. Eines Tages erwische ich ihn, wie er auf einen wichtigen Entwurf Strichmännchen malt, sich, sein Auto, seine Freundin. Seitdem nur noch Gekicher.«
Autogener Narzißmus, ein deutlicher Hinweis auf das Esprit-Blonde-Syndrom. Besonders anfällig ist der weitverbreitete Typ des kleinen Jungunternehmers, der unter Freunden als weltoffen und aussagelos bezeichnet wird. Schon seit geraumer Zeit warnt neben dem altbekannten »Stop Aids«-Spot der Gauloise-Blonde-Trailer in den Kinos vor der verheerenden Krankheit. Doch über diesen Spot ist man geteilter Meinung. Zwar freut sich der Freiburger Psychiater und E.B.-Spezialist Peter Hollenböck über das Münchener Urteil, warnt aber gleichzeitig vor der bundesweiten Kino-Aufklärung: »Das Münchener Urteil, das einer offiziellen Anerkennung des E.B.-Syndroms entspricht, erlaubt uns eine ausgedehnte Feldforschung, die vor allem die gesellschaftlichen Ursachen dieser Krankheit zutage fördern soll. Wir glauben nicht mehr an einen Erreger, der durch körperlichen Kontakt übertragen wird.«
Vor allem die Früherkennung sei nun besonders wichtig. Gerade der öffentliche Genuß der Marke »Gauloise Blonde« weise auf gefährdete Personengruppen hin. Hollenböck fürchtet vor allem den Sympathieeffekt im teils sogar minderjährigen Publikum. »Sich abendelang nur Stimmungsbilder von sich selbst anzusehen oder sich unter knarzigen Saxophonlauten wie wild am Strand zu gebärden, scheint nicht die beabsichtigte abschreckende Wirkung zu haben.«
So manch einer verläßt das Kino mit einem Schaudern, andere aber stehlen sich heimlich zum nächsten Automaten, um sich ein Päckchen Gauloise Blonde zu ziehen. Das E.B.-Syndrom scheint fast so rätselhaft wie der Stuyvesantvirus. »Völlig überraschend erweisen sich selbst nahe Bekannte als befallen. Ihr Gehirn scheint plötzlich bis zum Schwachsinn ausgelaugt, ausgebleicht, daher auch der Name. Sie finden Gefallen an den gefühlsbetonten Irrsinnsmelodien der Amateursaxophonisten, die gerade jetzt um Weihnachten die Straßen überfluten, sie zeigen sich abendelang öde Urlaubsfotos und diskutieren über schnurdünne Lederkrawatten«, klagt Prof. Blizinski, Leiter der offenen Anstalt in Emmendingen im Breisgau. »Schlimmer als Heroin«, konkretisiert er seine Betroffenheit.
»Das Zeigen eines schwachsinnigen Patientenpaars auf dem Balkon der Anstalt mitten in ihrer Narzißmusraserei scheint nicht abschreckend genug. Die Zigarette, die nur symbolisch durch ihren Namen ihren Schwachsinn darstellen soll, ist selbst ein begehrtes Symbol geworden«, klagt er noch abschließend über den Aufklärungstrailer. Bleibt nach dem Münchener Urteil nur noch die Absetzung des Esprit-Blonde-Spots zu erhoffen, »sonst kommt es zu einer Katastrophe«. S.A.F.T.
Noch gibt es den Gauloise-Blonde-Film in jedem jugendfreien Lichtspielsaal (»Gib E.B. keine Chance«, D '89, 80 sec.).
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