■ NOCH 3313 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Kommunikationmit einer Maschine
Seit Tagen versuche ich einen Freund anzurufen, aber in seiner Wohnung haust nur noch eine Maschine. Die fordert mich regelmäßig auf, auf ein bestimmtes Signal hin eine Nachricht zu hinterlassen. Das Ding hat natürlich keine Chance: Ich rede nicht mit Maschinen! Bei einem anderen Bekannten muß ich mir immer ein blödes Märchen (alle zwei Wochen ein neues) anhören, wenn ich versuche, ihn telefonisch zu erreichen. Es wird immer verrückter, die Maschinen kontrollieren unsere Kommunikation. Anrufbeantworter sind schon längst nicht mehr der Geschäftswelt vorbehalten. Seit die Mistdinger immer billiger werden, will jeder eins besitzen. Dabei werden die Maschinen mit immer neuem Schnickschnack ausgerüstet. Die Fernabfrage ist ja schon ein alter Hut, aber es gibt inzwischen auch die Auswahl zwischen neun verschiedenen Ansagetexten oder einem integrierten Wählcomputer. Außerdem kann man den Anrufbeantworter als Raumüberwachung nutzen. Will man etwa im Urlaub kontrollieren, ob zu Hause statt stiller Blumenpflege eine heiße Party läuft, braucht man nur per Codegeber das Mikrophon in der Maschine zu aktivieren.
Da ist es doch wirklich beruhigend, daß sie sich auf höchster Ebene nicht mit diesem Blödsinn abgeben. Am „Roten Telefon“, bekannt aus Film und Fernsehen, hängt kein Anrufbeantworter. Die Direktverbindung zwischen Kreml und Weißem Haus, der sogenannte heiße Draht, wurde 1963 nach der Kubakrise installiert. Gleich im ersten Jahr gab es allerdings eine Panne: Ein finnischer Bauer durchtrennte mit seinem Pflug das transatlantische Kabel. Um solche Pannen auszuschließen, wurde seitdem technisch aufgerüstet. Letzten Montag konnte die dritte, 4,7 Millionen teure Version in Betrieb genommen werden. Unter anderem wurden neue Satellitenempfangsschüsseln aufgebaut. Die Verbindung wird inzwischen dreifach — über zwei Satellitenkanäle und ein Direktkabel — abgesichert. Ursprünglich zur Verhinderung eines Atomkriegs gedacht, wird das „Rote Telefon“ heute auch anderweitig genutzt. Die Wartungsleute an beiden Enden der Leitung z.B. haben eine Menge Spaß mit dem Ding. Wie der Direktor des US-Wartungsdienstes, Tom Brothers, erzählte, ist es mit dem Dienst nach Vorschrift längst vorbei. Bei der Überprüfung der transatlantischen Leitung wird von den amerikanischen und russischen Technikern die Arbeit gerne mit dem Austausch der neuesten Sportnachrichten aufgelockert. Karl Wegmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen