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„Schweigend die Augen auf Kohl richten“

Gipfelfieber: Italiens Regierung möchte sich als Kristallisationspunkt der anti-frankogermanischen Achse profilieren/ Wenn's um Geld geht, will sie dennoch den Riesen aus dem Norden anpeilen/ Regionale Bündnisse sollen Roms Rolle aufwerten  ■ Aus Rom Werner Raith

Italiens Außenminister Gianni De Michelis, ansonsten nicht gerade als Schreibtischhengst bekannt, hat schwere Nächte hinter sich: Nicht wie gewohnt in Nachtlokalen, sondern in seinem Büro mußte er schwitzen. Der Minister mußte sich alle möglichen Details einprägen, die ihm seine Zuarbeiter für gut drei Dutzend Problemkreise vorbereitet hatten — Problemkreise, die im Palazzo della Farnesina, De Michelis' Amtssitz, unter dem Stichwort „Hindernissammlung“ laufen.

Denn Italien, bis vor kurzem in allen Umfragen einsamer Champion in der Europabegeisterung, ist nun vom Unbehagen beschlichen. Bis Mitte 1989 sah es noch danach aus, als könne man über EG-Subventionen und die privilegierte Lage am Mittelmeer Dutzende von Vorteilen aus dem Zusammenschluß ziehen. Doch die Ereignisse im Osten haben die Aufmerksamkeit völlig vom Süden abgezogen, „und es besteht Gefahr, daß sich das auch in einer für uns untragbaren Revision der internen Verteilung von Kosten und Nutzen niederschlägt“, so ein AA-Mitarbeiter zur taz. De Michelis ist davon überzeugt, daß solche Vorstellungen schon „ziemlich festgeklopft wurden — beim Versuch eine Achse Bonn- Paris zu installieren“. Das gelte auch für die angestrebte Vereinheitlichung der Institutionen. Wie sehr die Achse „schon wirkt“, erkennen De Michelis' Beamte aus der von Franzosen und Deutschen durchgesetzten Nichteinladung der Zentralbankchefs zum Treffen in Rom: „Die hätten denen mal vorgerechnet, wer in Europa das Geld ausgibt und wer bezahlt — nicht Herr Kohl mit seinen Spendierhosen, sondern die anderen.“

Natürlich wissen De Michelis und sein Chef, daß Mitterrand und Kohl eine andere Rechnung aufmachen werden. Und so haben sich die Italiener vorgenommen, die Deutschen und die Franzosen anderweitig weichzukriegen — mit Themen, die den Achsen-Führern gar nicht ins Konzept passen. So möchte De Michelis „als allererstes einen Beschluß zur Isolierung Israels sehen — sowas hat, siehe Irak, ja offenbar Erfolg.“ Auch die „Euphorie über Beitrittsanträge wie etwa den von Schweden“, als neuer Nord-Zugang in Rom ohnehin nicht so gern gesehen, will De Michelis „unter dem Aspekt von deren Neutralität“ dämpfen.

Auch möchten die Italiener eine volle „Rehabilitation“ in Sachen Einwanderung aus Nicht-EG-Ländern. „Nun bringen die Deutschen“, so der AA-Funktionär, „Millionen Arbeitslose aus der ehemaligen DDR in Umlauf und sind auch sonst gegenüber Einwanderern aus den ehemaligen Ostblockstaaten windelweich“. „Wir haben nichts gegen offene und nichts gegen geschlossene EG-Grenzen“, so Vize-Regierungschef Claudio Martelli, vielgeprügelter Autor eines EG-konformen Anti-Immigrationsgesetzes, „aber das muß dann schon für alle und bei allen gelten.“

Die Italiener haben mit ihren Attacken das erklärte Ziel, ihr Land als Gegengewicht gegen die frankogermanische Übermacht zu installieren. Ohne irgendwelche Rücksichten wollen sie die von Italien mit seinen östlichen Nicht-EG-Nachbarn Jugoslawien, Ungarn, der Tschechoslowakei und Österreich eingerichtete Pentagonale-Konferenz zu einer von der EG anerkannten, aber ausschließlich von Italien geleiteten Institution machen; im Süden sollen die Mittelmeeranrainer, ebenfalls unter italienischer, notfalls (man braucht Alliierte) unter gemeinsamer Führung mit Spanien, zu einem eigenen Wirtschaftsraum zusammengefaßt werden, mit einer KSZE-analogen Konferenz zur Stabilisierung. Sollten die EG-Führer von nördlich der Alpen meckern, hat De Michelis auch ein verteidigungspolitisches Marterinstrument parat: die Stationierung der aus Spanien verscheuchten F-16-Bomber in Crotone. Die USA wollen weiterhin dorthin, aber nicht dafür zahlen. Die Italiener wollen es weiter zulassen, aber nur gegen viel Geld. „Bei der Frage der Moneten“, haben die AA-Beamten ihrem Chef aufgeschrieben: „Schweigend die Augen auf Kohl richten“.

Sollte sich die Achse Bonn-Paris wider Erwarten als unknackbar erweisen, will Andreotti höchstpersönlich eine düstere Prophezeihung auf den Tisch legen: „Dann wird es, unsere Beschlüsse über vereinheitlichte Institutionen und Währungen hin oder her, über kurz oder lang zum Ausbrechen einzelner Mitglieder aus der EG kommen.“ Genau diesen Eindruck, so das Kalkül der Italiener, aber können sich weder Kohl noch Mitterrand leisten.

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