piwik no script img

Die Saubermänner

■ Die CDU und die Visumfreiheit für Polen KOMMENTAR

So ist das mit der Visumpflicht — kaum ist sie weg, sind die Menschen nicht mehr zu halten. 25.000 schwappten am Wochenende über die deutsch-polnische Grenze und kauften ein, bis die Regale oder der Geldbeutel leer waren. So geschehen nicht in der Kantstraße oder am Hermannplatz, sondern in Szeczin und in Swinoujscie. Die Käufer waren keine Polen, sondern Deutsche, die sich so pfiffig und marktwirtschaftlich benahmen wie alle, die was vom Preis-Leistungs-Verhältnis verstehen: Sie gehen da einkaufen, wo es was gibt und wo es am billigsten ist. Genau das werden viele PolInnen tun, wenn die Visumfreiheit Rechtskraft erlangt.

Bleibt die Frage, ob sich Senat und Stadt pragmatisch verhalten oder lieber den kleinbürgerlichen Saubermann markieren, wie es die CDU bereits getan hat. Da wird schon wieder von »unhaltbaren hygienischen Zuständen« gefaselt (CDU-Generalsekretär Landowsky), weil man mit Müll lieber miese Politik machen will, anstatt genügend Mülltonnen aufzustellen. Und anstatt schon in Polen für Informationen zu sorgen über Zollvorschriften, Benimmregeln beim Einkaufen, über gute und schlechte Geschäftspraktiken, über seriöse und unseriöse Läden nicht nur in Berlin, pflegt die CDU lieber ihren provinziellen Rassismus und redet schon mal prophylaktisch von »steigender Kriminalität«, »Schwarzarbeit« und »Schwarzhandel«. Vielleicht sollten die christlichen Saubermänner alle mal nach Szcecin zum Einkaufen fahren — die Menschen dort kriegen den Ansturm aus Deutschland vermutlich besser auf die Reihe als die Metropole, die die CDU sich anschickt, zu regieren. Andrea Böhm

Siehe Seite 28

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen