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Let's go Warhol

■ Heute: »Test the West« genau einundzwanzig mal JUGENDFREIE GLIMMERFILME

Einen Kurzfilm der Reihe West zu goutieren gehört für Insider dieser Tage zum absoluten Muß. Sicherlich, gern informiert man sich über den neuesten Stand der Kinowerbung und hofft immer wieder auf einen Kurzfilm, der vielleicht den postmodernen Maßstäben von Filmkunst heute entspricht.

Genau jetzt in der letzten Vorweihnachtswoche findet die großangelegte Filminstallation von »West« ihr vorläufiges Ende. Mehr als ein halbes Jahr lang stellten junge, amerikanische Regisseure der Avantgarde ihre bewußt in der Tradition von Andy Warhol angesiedelten Filmwerke vor. Doch die grundlegende Idee — jedem modernen Menschen ein Selbstverständnis —, daß zeitgenössische Kunst nicht vom Zeitgeist der Werbeästhetik zu trennen ist, stößt hier im deutschen Lebensraum auf taube Ohren. Daß der deutsche Künstler immer noch auf das vorindustrielle Prinzip des Mäzenatentums besteht und somit dem revolutionären »West«- Projekt keine Beachtung schenken will, haben die pfiffigen Amerikaner vorausgesehen: Die Deutschen dürfen nicht mitwählen.

Prämiert wird nämlich nun am Jahresende der beste Regiebeitrag der weltweiten Installation. Ganz demokratisch, versteht sich, mit dem Applausometer. Weit vorne liegt zum Beispiel der Beitrag des jungen Puertoricaners José Polonski, der großen Publikumsbeifall für seine Strandsequenz erhielt, in der eine üppige falsche Blondine von einem etwas zu kleinen Amerikaner italienischer Abstammung, ja, angebaggert wird. Auch die eindringliche Kameraführung des Texaners Tex Obey in seiner ins Groteske verzerrten Elvis-Darstellung ist beliebt, nicht zu vergessen die an amerikanische Slapsticktradition angelehnte Komposition mit einem grüngesichtigen Außerirdischen mitten in Manhattan des jungen Regiestars Barbara Grilla. Doch die Jury ist nicht zufrieden. Sprechen viele der international aufgeführten Kurzbeiträge humorvoll die Probleme der amerikanischen Mittelschicht an, möchte die Preisjury lieber einen Beitrag auf dem ersten Platz sehen, der dem minimalistischen Ausgangskonzept, der geforderten Verwebung von Kunstgenuß und Warengenuß entspricht. Das Filmkunstwerk des Exilrussen Sergei Bromstein gilt in der Konzernspitze als Favorit, beweist doch seine magische Darstellung eines greisen Dirigenten, der im Lärm des Straßenverkehrs stumm mit seinem Hörgerät kämpft, die erforderliche ästhetische Tiefe, die heutzutage noch so schwer im Gravitationsfeld zwischen künstlerischem Individuum und kunsttragender Massenware zu finden und darzustellen ist.

Vor allem erfüllte dieser Beitrag die Forderung nach symbolischer Einbindung der in den letzten drei Sekunden angebotenen »West«-Zigarette. Sergei Bromstein gelang es, für jeden verständlich, die angebotene Zigarette aus der frisch angebrochenen Packung quasi als Bindestrich zwischen dem kommunikationsgestörten Künstler und dem agilen Warenkonsumenten darzustellen. »In Bromsteins Kurzfilm findet der Zuschauer vor allem die Hoffnung auf eine künstlerisch produktive, multikulturelle Verbrauchergesellschaft«, verlautete ein Jurymitglied während der Vorauswahl. Doch gerade Bromsteins Beitrag erntet in deutschen Kinos nur Pfiffe und Mißfallensäußerungen.

So ist es also mehr als nur gerecht, dem deutschen Filmpublikum die Stimme zu entziehen, wenn auch das wieder nur bedauerlicherweise beweist, daß der deutsche Bürger im Herzen Europas das Licht der postmodernen Selbstfindung scheut. S.A.F.T.

Die Serie West mit 21 verschiedenen Beiträgen ist noch bis Jahresende in deutschen Lichtspielhäusern zu sehen.

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