: Kunstlicht: Fragmente einer Topsau
■ Cony Gierke im Paganini/Vier Fotomänner bei INKATT/Motschiedler in der GadeWe
In einer Stadt, in der mehrere hundert KünstlerInnen nach Ausstellungsmöglichkeit resp. Ruhm lechzen, muß man auch über Kneipen froh sein, die ihre Wände hergeben. Cony Gierke (27) ist Newcomerin und zeigt im Cafe Paganini, inwieweit sie sich von ihrer HfK-Ausbildung als Grafik-Designerin lösen konnte. Vom Titel „Fragmente“ muß man sich ja nicht abschrecken lassen. (Erlenstraße 60, bis 31.Jan., tgl. ab 19 Uhr)
Ebenfalls links der Weser rührt sich seit geraumer Zeit eine Galerie namens Inkatt, deren Name auf den Standort Kattenturm beim Krankenhaus verweist. Im Augenblick stellen dort vier Bremer Amateurfotografen aus, allesamt aus dem „Bremer Arbeitskreis Fotografie“ (24 Mitglieder, wöchentliches Treffen). K.-D.Hilbrecht, Roger Bartsch, Günter Mischke und Jens Kahle unternahmen eine Fotoexkursion in den Rhododendronpark und vergrößerten anschließend, was die Objektive hergaben. (“Kleine Welt groß im Bild“: Theodor-Billroth-Str.5, Di., Mi., Do. 17-19, So. 11-13 Uhr, bis zum 24 Jan.)
Ein später Verehrer der berühmt-berüchtigten Berliner Nackttänzerin Anita Berger ist Heiko Motschiedler, der durch ein Porträt von Otto Dix auf die Dame aufmerksam wurde. Vier Jahre lang forschte und grub Motschiedler und förderte zutage: Die Berger starb 1928 in Berlin an Tbc, nachdem sie 1899 in Leipzig geboren wurde. Mit 16 begann sie zu tanzen und hatte keine Hemmungen und kassierte Anzeigen wegen Unsittlichkeit. Man schimpfte sie ganz hingerissen „Du Topsau“, und sie gab viel Geld für Alkohol, Pelze und andere Drogen aus. Ihre Tänze hießen „Selbstmord“, „Morphium“, „Haus der Irren. Bis sie zu Husten anfing und nicht mehr damit aufhörte. Ihre Biografie ist eine des Zwanzigsten Jahrhunderts.
Heiko Motschiedlers künstlerische Reaktion auf dieses exzessive Leben kann man sich in der Galerie des Westens (GadeWE) ansehen, dort passen die kleinen und z.T. mit Blattgold belegten Aquarelle hervorragend ins Galeriekonzept „Biografisches aus Deutschland im 20. Jahrhundert“, kein Wunder, denn Motschiedler hat das Konzept als GadeWe-Aktivist miterfunden. In symbolhaltigen Illustrationen der wunderbar dekadenten 20er Jahre (wie es uns heute scheinen will) blättert er im Leben der bisexuellen „Königin der Berliner Boheme“. (Reuterstr.9-17, bis 11.Jan.)
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