: Ein ausgespuckter Kaugummi
■ „Nachschlag“ mit Mathias Beltz, ARD, Mittwoch um 23 Uhr
Das eine Trauerjahr haben sie fast vollgemacht die lieben Kollegen. So viel Abstand mußte schon sein, um Anstand zu symbolisieren. Einer mußte gehen, wurde gefeuert. Schlimm. Jetzt teilen sich vier Leute die Aufgabe. Ist Job-sharing etwa keine gute Sache?
Die Rede ist von dem einen Kabarettisten Mathias Richling und seinen vier Kollegen Mathias Beltz (HR), Hanns Dieter Hüsch (SR), Thomas Freitag (SDR) und Richard Rogler (WDR). Nach dem Motto Hütte ist auch auf dem kleinsten Sendeplatz hat sich das Quartett jetzt der fünfminütigen wöchentlichen Satiresendung angenommen, die bis zum Februar 1990 Jetzt schlägt's Richling hieß. Man wird sich quartalsweise abwechseln.
Richling, der als deutscher Zappelmichel das aktuelle Geschehen vom Bett aus aufs Korn nahm, sollte damals von den ARD-Chefs kaltgestellt werden. Wegen ziemlich heftigen Ausgaben zu den Themen „Papst, Kondom und Aids“ und „Polnische Westgrenze“ wurde Richling aufgefordert sich den Job mit anderen zu teilen. Er habe „Gläubige beleidigt“ befand der christsoziale Medienwächter Stoiber aus Bayern, Kohlfreundin Ulrike Wolf vom NDR urteilte: „geschmacklos“. Richling lehnte den sittlichen Antrag jedoch empört ab, die Sendung sei seine eigene Idee, sein eigenes Konzept, das lasse er sich nicht von anderen verwässern. Richling ließ die Sendung ganz sein. Damals war sich der Stuttgarter Kabarettist noch sicher, daß sich für die „gleiche Stelle gleiche Welle“ keine Kollegen finden würden.
Am Mittwoch nun bewies als erster der Frankfurter Fronttheatermann Mathias Beltz das Gegenteil. Die Empörung über Zensurfälle verhält sich eben umgekehrt proportional zur Bildschirmgeilheit. Aber weil es im Äther doch Gerechtigkeit gibt, blamierte sich Beltz gar sehr. Ohne roten Faden dümpelte sein Ratgeber für Deutschland zwischen Strauß, Golfkrise und den Killerhunden aus dem letzten Tatort hin und her — nicht viel mehr als der Beweis, daß Beltz und sein Textschreiber ausführlich Zeitung gelesen haben.
Weil die Figur des spießigen Briefkastenonkels, angesiedelt zwischen Hausmeister und Bürokrat, leblos blieb, mußten verschiedene Kameraeinstellungen für Dramatik sorgen. Neben Kalauern wie „Freiheit ist die Freiheit den Arbeitsplatz zu verlieren“ gab es ganz viel ganz böse gemeintes. Bemüht sagte Beltz seinen Text auf, schaut her, wie zynisch ich sein kann, wie kinderfeindlich, auch der kommende Golfkrieg ist kein Tabu. Das war nur linker Stammtischwitz.
„Diesen ausgespuckten Kaugummi hätte ich im umgekehrten Fall nicht aus der Gosse aufgehoben.“ So kommentierte Richling die unsolidarische Übernahme durch seine Kollegen, die vorher kein Wort darüber mit ihm wechselten. Das rechte Wort für diesen braven Bubble. Hans-H. Kotte
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