: »Wir lassen uns nicht kaufen«
■ Neue Volxküche/ Friedrichshainer Besetzer zum Stand in Prenzlauer Berg
Friedrichshain. Der Bezirk Friedrichshain hat seit Sonntag eine neue Volxküche: In dem besetzten Haus Niederbarnimstraße 23 gibt es von nun an täglich ab 18 Uhr für drei Mark warmes Essen und am Wochenende Frühstück. Die Volxküche wird von den Bewohnergruppen mehrerer besetzter Häuser betrieben. Fortgesetzt werden soll damit die Tradition der geräumten Volxküche in der Mainzer Straße.
Außerdem soll in der Niederbarnimstraße 23 sonntags Kinderkino veranstaltet werden und ein Raum dem Fußballfanprojekt zur Verfügung gestellt werden. Das Fußballfanprojekt wurde nach Angaben einer der Initiatoren von West- und Ostberliner fußballbegeisterten »Linken« gegründet. Sie wollen zusammen mit Hooligans Fußball spielen, Sportschau gucken, über die Geschichte des Fußballs diskutieren und Fußballsouvenirs verkaufen. »Wir wollen uns mit den Hooligans auseinandersetzen. Wir finden nicht, daß das Neonazis sind«, sagte der Mitbegründer des Projekts. In dem besetzten Seitenflügel und im Hinterhaus der Niederbarnimstraße 23 wohnen rund 30 Männer und Frauen im Alter zwischen 17 und 35 Jahren und ein vierjähriges Kind. Viele wohnten zuvor in einem der besetzten Häuser in der Mainzer Straße oder in der Kadiner Straße 15, die Anfang Januar geräumt wurden.
Die neue Volxküche im Parterre macht einen properen Eindruck. Die Wände sind weiß getüncht, eine Decke ist mit roten Fahnen abgehängt. An der Wand neben dem Durchgang zum zweiten Eßraum hängt Lenin in Lebensgröße. Den Gruppen, die im wechselnden Rhythmus für 80 und mehr Leute kochen, stehen zwei Herde zur Verfügung. Außerdem werden warme und kalte Getränke zum Preis zwischen einer und zwei Mark ausgeschenkt. Die Frage nach einer Schankgenehmigung ruft bei den Besetzern Belustigung hervor: »Wir haben keine Möglichkeit, eine zu bekommen, weil das eine politische Entscheidung ist«, erklärt ein Mann. Er verweist darauf, daß das Friedrichhainer Bezirksamt der Auffassung ist, besetzte Häuser dürften kein Gewerbe betreiben. Auf die Frage, wie die Stimmung in den besetzten Häusern in Friedrichshain sei, nachdem die besetzten Häuser in Prenzlauer Berg sich am Freitag mit der Wohnungsbaugesellschaft auf den Abschluß von Verträgen geeinigt haben, erklärt ein Besetzer: »Verträge abschließen, wenn andere Häuser geräumt werden, das geht mit uns nicht.« Der Besetzer spielt damit auf die Räumung Anfang Januar und die der Mainzer Straße im November an. Unter zustimmendem Nicken der anderen verweist ein junger Mann darauf, daß die Forderung nach einem Räumungsmoratorium, Rückgabe der geräumten Häuser und langfristigen Nutzungsverträgen für alle Häuser nach wie vor bindend sei. Eine junge Frau räumt aber ein, daß es in Friedrichshain auch einzelne Häuser gebe, die Verträge unterschreiben wollten. Daß es blauäugig ist, diese Forderungen aufrechtzuerhalten und es dafür keinen Rückhalt in der breiten Öffentlichkeit gibt, finden die Besetzer nicht. »Wir lassen uns nicht kaufen«, erklärt eine junge Frau. Die große Beteiligung an dem allsonntäglichen Spaziergang zu den besetzten und geräumten Häusern sei der Beweis, daß es noch viele Unterstützer gebe. Die Forderungen fallenzulassen, wäre ein Verrat an der Utopie. Auch wenn es schmerzlich sei, lasse man sich lieber räumen: »Das bringt dich weiter, als wenn wenn du dich unter Druck setzen läßt.« plu
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