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Prenzlauer Berg fast ohne Hausbesetzer

■ Mit Ausnahme von vier besetzten Häusern ist die Legalisierung in Prenzlauer Berg unter Dach und Fach/ Alle kompromißbereit

Prenzlauer Berg. In Prenzlauer Berg konnte jetzt eine friedliche Lösung für 70 besetzte Häuser dieses Bezirkes unter Dach und Fach gebracht werden. Nur bei vier Häusern wird noch verhandelt. Damit geht Prenzlauer Berg mit gutem Beispiel voran, daß vieles machbar ist, wenn Wohnungsbaugesellschaft und Besetzer nicht auf ihren Standpunkten beharren, sondern kompromißbereit sind. Wichtig waren dabei auch der Bezirksbürgermeister, die Stadträte und die Bezirksverordneten. Sie bekundeten nicht nur verbales Interesse an einer politischen Lösung, sondern saßen bei allen maßgeblichen Sitzungen dabei.

Von den 70 besetzten Häusern oder Gebäudeteilen wurden 15 bereits vor dem 3. Oktober durch Nutzungsverträge legalisiert. Der entscheidende Durchbruch kam Ende vergangener Woche: Die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP), Vertreter des Bezirksbesetzerrats und der Arbeitsgruppe Instandbesetzung sowie Angehörige aller Parteien und ein Pfarrer unterschrieben eine Vereinbarung zur Legalisierung, die von Bezirksbürgermeister Manfred Dennert gegengezeichnet wurde. Die Vereinbarung sieht vor, daß die Bewohner von 49 besetzten Häusern Einzelmietverträge und einen Vorvertrag mit der Option auf Selbstverwaltung und Selbsthilfemodernisierung erhalten. Für sechs weitere besetzte Häuser wurde verbindlich festgelegt, daß die Bewohner Ersatzwohnungen bekommen, weil die Häuser in einem so miserablen Zustand sind, daß sie wahrscheinlich abgerissen werden müssen.

Bleiben also noch vier besetzte Gebäudeteile, zu denen noch keine Entscheidung gefallen ist: die beiden Seitenflügel der Kollwitzstraße 64 und die Prenzlauer Alle 203 und 204. Nach Angaben des Leiters der Arbeitsgruppe Instandbesetzung im Bezirksamt, Gunter Hande, sind die Seitenflügel der Kollwitzstraße 64 Mischeigentum. Die Häuser gehören je zur Hälfte einer Erbengemeinschft und dem Bund. Die WIP wolle den Besetzern Einzelmietverträge geben, müsse zuvor aber das Ergebnis eines Rechtsgutachtens abwarten.

Für die Prenzlauer Allee 203 sei der WIP die Verwaltung von dem Privateigentümer entzogen worden. Die WIP habe sich aber bereit erklärt, zwischen Eigentümer und Besetzern zu vermitteln. In der Prenzlauer Allee 204 seien die Besetzer aufgefordert worden, bis zum 15. Januar — also gestern — das Gutachten eines Statikers vorzulegen, ob die bauliche Sicherheit in dem Haus noch gewährleistet sei. Der Grund: Durch den Rausriß von tragenden Elementen seien erbebliche bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Andernfalls werde beim Gericht Räumungsklage eingereicht.

Die Einzelmietverträge für die Bewohner der 49 Häuser gelten rückwirkend vom 1. Januar, die Miete wird auf einer Grundlage, die dem alten DDR Mietzins entspricht, berechnet. Gleichzeitig unterschreibt jeder Hausverein einen Vorvertrag. Die Bewohner können bis zum 31.12.1993 ein Konzept für die Instandsetzung ausarbeiten. Der Vorvertrag behinhaltet unter anderem die Option auf Selbstverwaltung, Selbsthilfeinstandsetzung und langfristige Nutzungsverträge — 20 Jahre — sowie die Möglichkeit, 15 Prozent der Hausfläche für Gemeinschaftseinrichtungen zu nutzen. Weil die Eigentumsfrage unklar ist, mußte jedoch zur Bedingung gemacht werden, daß die Gültigkeit des Vorvertrags von der Zustimmung des Eigentümers abhängt. Die WIP unterschreibt aber, daß sie im Falle der Weigerung versuchen werde, den Eigentümer zur Weiterführung des Vorvertrags zu bewegen. plu

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