piwik no script img

Ekelschwänze

■ Revolting Cocks: Overkill Musik / Die Cocks im O-Ton

WAR SUCKS. Diese nicht gerade feine, aber angesichts des Krieges korrekte Bemerkung ist das erste, was die Männer der Revolting Cocks am Donnerstag abend in das wohlgefüllte Modernes brüllen. Gleich anschließend bricht das Inferno über das Publikum herein. Im Sample- Verfahren eingespielte metallische Stampfrhythmen erfüllen den Raum, brechen sich an den Wänden und fallen von allen Seiten in die Gehörgänge. Acht Herren lassen Gitarren kreischen, poltern materialverachtend auf Baßsaiten und grölen schlagzeilenartige Botschaften. Die Bauchgegend der ZuhörerInnen wird dumpf angeschlagen.

„Das ist kein Krieg da oben auf der Bühne — der findet am Golf statt. Du kannst unseren Gig nicht mit militärischen Maßstäben messen. Oder glaubst du wirklich, daß sich das Publikum durch uns bedroht fühlt? Wir sind hart, gehen gegen Konventionen an und bekämpfen den amerikanischen Mainstream. Aber gewalttätig sind wir eben nicht, eher energiegeladen oder aggressiv, that's our fun.“

Das industrielle repetitive Klanggewitter erreicht zwischendurch ohrenbetäubende Dimensionen. „I'm a killing machine“ dröhnt es aus den Boxen, vor der Bühne wogen tanzbeingeschüttelte Körper zu Schlagzeug plus Drum-Computer.

“Nein, mit dem Scheißkrieg wollen wir auch nichts zu tun haben. Wir sind sogar froh, jetzt in Europa zu sein und nicht daheim in Chicago. Wir hätten sonst nie diese Anti-Kriegshaltung hier erlebt. Die killing-machine- Zeile ist ein Ausdruck des Verfalls. Wir sind alle zerstörerisch. Der große Fisch frißt den kleinen und wird selbst vom noch größeren gefressen. Es ist so verdammt amerikanisch, alles zu übertreiben. Schau dir den Overkill am Golf an, die CNN-Berichterstattung, das ist doch alles Wahnsinn. So etwas kann man gut in Musik ausdrücken, und das tun wir auf unsere Art.“

Nebelschwaden fließen von der Bühne, hinter der eine nackte Plastik-Sex-Puppe aufgehängt ist. Die Intensität der Musik hat nicht nachgelassen. Sänger Chris Conelly holt unter seinem Schurz einen Riesen-(Kunst-) Schwanz hervor und mastubiert Fontänen in die Menge.

“Wir sind keine Machos. Aber wir können nicht den Zusammenhang von männlicher Sexualität und Macht verleugnen. Wir suchen die Konfrontation mit dem Publikum, das haben besonders die Amerikaner sehr nötig. Wenn du die nicht in den Arsch trittst, passiert gar nichts.“ Paul Barker, Michael Balch, Mark Durante und Cool J.F.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen