: Die Amerikaner sitzen mit im Cockpit
■ Die US-Medien können sich in ihrer Kriegsbegeisterung kaum zurückhalten/ Militärexperten diskutieren im Fernsehstudio über die Notwendigkeit eines anschließenden Bodenkrieges
Gebannt wie Jugendliche vor ihren Kriegsspielautomaten saßen die US- Bürger in ihren Fernsehsesseln und starrten auf die spektakulären Bilder: Aufgenommen aus den Cockpits amerikanischer Kampfflugzeuge folgten die Fernsehzuschauer dem Fadenkreuz der Bordraketen und wurden dann im eigenen Wohnzimmer Zeugen der Destruktion irakischer Militäranlagen. Wo die Diplomatie gefehlt hat, beweisen nun die lasergesteuerten „intelligenten“ Bomben militärischen Erfindungsgeist. Die Medien können sich ihrer Kriegsbegeisterung kaum entziehen. In den ersten 24 Stunden des Luftkrieges warfen US-Flugzeuge in über 2.000 geflogenen Angriffen fünf Mio. Tonnen Bomben ab.
Trotz all der zigfach wiederholten militärischen Erfolgsmeldungen wurde spätestens am dritten Kriegstag die merkwürdige Zurückhaltung der Militärs bei einer Quantifizierung ihrer Treffer deutlich. Nachdem in den ersten Tagen der Eindruck erweckt worden war, die irakische Luftwaffe sei bereits völlig dezimiert worden, war am Samstag dann nur noch von der Zerstörung 11 irakischer Kampflugzeuge die Rede. Die zweite Welle irakischer Raketenangriffe auf Israel machte ferner deutlich, daß noch längst nicht alle 30 bis 40 mobilen Scud-Raketen-Abschußsysteme außer Gefecht gesetzt waren. „Das ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heu“, so ein US- General zu den Schwierigkeiten bei der Lokalisierung der Schreckenswaffe für Israel. Von den 4.000 Panzern der Irakis wurden bisher erst ganze 20 zerstört.
Auf den Bildschirmen beschwerten sich auch immer mehr Korrespondenten über ihre Behandlung und Zensur durch die Behörden. Nachdem am Samstag auch die letzten ausländischen Journalisten den Irak verlassen mußten, wurde auch in Amman die Freiheit der Berichterstattung eingeschränkt. Während die meisten Reporter in Israel noch Verständnis für die ihnen aus Gründen der Staatssicherheit auferlegte Zensur äußern, sind einige der im saudischen Dharan stationierten Kriegsberichterstatter mit ihrem Verlautbarungsjournalismus höchst unzufrieden. „Das ist, als müsse man seine Story aus einer Gefängniszelle recherchieren und schreiben“, so ein frustrierter ABC-Reporter zu seinem Studiomoderator.
In den Fernsehstudios diskutierten Militärexperten zum Wochenende vor allem die Frage der Notwendigkeit oder Überflüssigkeit eines anschließenden Bodenkrieges. So warnte der Militärstratege des „Center for Strategic and International Studies“, Edward Luttwak, davor, der natürlichen Neigung der am Golf versammelten Streitmacht nachzugeben, im Kampf gegen den Irak alle Waffengattungen einzusetzen. Ob ein solcher Bodenkrieg zur Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait am Ende der Luftangriffe noch nötig sein wird, wird vor allem von der Fähigkeit der US-Luftwaffe abhängen, mit ihren Bomben auch die Moral der Iraker zu zerstören.
Aber auch der Versuchung zu neuen diplomatischen Initiativen, so warnte Luttwak, dürfe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachgegeben werden. Hohe US-Militärs erklärten am Samstag, die Bombardierung irakischer Militäranlagen und Stellungen werde in dieser Intensität bis mindestens Anfang Februar andauern. Um diese Offensive durchhalten zu können, hatte Verteidigungsminister Cheney bereits am Freitag die vorbereitete „Executive Order“ unterzeichnet. Diese erlaubt dem Pentagon die Einberufung von weiteren 1 Mio. Reservisten. Außerdem erklärte Cheney einen „Luftfahrt-Notstand“, nach dem die 20 kommerziellen Luftfahrtgesellschaften bis zu 180 Flugzeuge zum Nachschubtransport an den Golf zur Verfügung stellen müssen.
Politik spielt in diesen Kriegszeiten in Washington nur noch eine marginale Rolle. Fast unbeachtet stimmte das Repräsentantenhaus am Freitag mit nur 12 Gegenstimmen einer symbolischen Resolution zu, die Präsident George Bush als dem Oberbefehlshaber der Truppen für seine „Anstrengungen und Führung“ die volle Unterstützung ausdrückte. Zehn der Gegenstimmen kamen vom sogenannten „Black Caucus“, einer Gruppe schwarzer Kongreßmitglieder, die schon seit Jahren die Aufrüstung der Reagan- und Bush-Administrationen kritisiert. Alle übrigen Abgeordneten, die sich noch vor einer Woche für ein Festhalten an den Sanktionen ausgesprochen hatten, stehen mittlerweile voll hinter ihrem Präsidenten. Rolf Paasch, Washington
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