: Boykottaufruf: „Rüstungsfirmen im Supermarkt bekämpfen“
■ Die Verbraucher Initiative will die Firmen boykottieren, die Rüstungsgüter in den Irak geliefert haben sollen/ Gespräch mit Ilse Schürmann-Mock INTERVIEW
taz: Frau Schürmann-Mock, gegen welche Firmen richtet sich der Boykottaufruf der Bonner Verbraucher Initiative?
Ilse Schürmann-Mock: Wir haben keine vollständige Liste von Firmen erstellt, sondern haben uns in erster Linie die Unternehmen herausgesucht, die auch Konsumgüter herstellen oder Aufträge der öffentlichen Hand erhalten. Über den Daumen gepeilt ist das ein rundes Dutzend deutscher Firmen.
Unsere Informationen über deren Aktivitäten haben wir aus allgemein zugänglichen Quellen besorgt — aus verschiedenen Büchern, aus Informationen der BUKO-Koordinierungsstelle „Stoppt den Rüstungsexport“, aus Berichten der taz und der britischen Verbraucherzeitschrift 'The Ethical Consumer‘.
Nun gehören Zulieferteile für Chemiefabriken oder Raketenbestandteile nicht gerade zum täglichen Einkauf von Konsumentinnen und Konsumenten.
Der Boykott richtet sich gegen andere Produkte, die diese Firmen auch noch herstellen. Zu den Firmen gehört zum Beispiel Siemens; und Siemens produziert auch Haushaltsgeräte. Mit dabei ist Daimler Benz, denen die AEG gehört. Auf unserer Liste stehen weiter Philips und BBC, die Cassettenrecorder, Kühlschränke oder Waschmaschinen herstellen, oder die Firma Carl Zeiss mit ihren optischen Geräten und Fotoartikeln.
Was soll man nun beim Einkauf beachten, wenn man trotz allem einen neuen Kühlschrank braucht oder eine neue Brille?
Wir versuchen über ganz konkrete Alternativen zu informieren, weil ein allgemeiner Boykottaufruf leicht ins Leere geht. Wir haben deshalb am Beispiel von bestimmten Produkten wie Filmen, Batterien, tragbaren Cassettenrecordern und Kühlschränken Firmen herausgesucht, von denen wir sagen: Die sollten boykottiert werden.
Stattdessen sollte man diese Produkte bei den Firmen kaufen, die nach unseren Recherchen nicht verwickelt sind. Also Kühlschränke eben nicht von Siemens oder AEG, sondern vielleicht von Miele oder Bosch.
Eine gängige Parole der Friedensdemonstrationen lautet: „Kein Blut für Öl.“ Warum kein Aufruf zum Benzinboykott und zu einem generellen Fahrstop?
Bevor der Krieg ausgebrochen war, hatten wir dazu aufgerufen, zumindest begrenzt nicht mehr zu tanken und das Auto nicht zu benutzen. Wir versuchen jetzt, gangbare Möglichkeiten zu finden.
Haben die von Ihnen benannten Firmen schon auf den Boykottaufruf reagiert?
Von den Firmen haben wir bisher noch keine Reaktionen gehört. Aber wir haben massenhaft Reaktionen von Verbrauchern und Medien. Ich denke, wenn die Firmen merken, daß da wirklich was passiert, dann werden wir mit Sicherheit auch mit Reaktionen konfrontiert werden.
Nun ist die Verbraucherbewegung in der Bundesrepublik nicht so stark wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Glauben Sie denn, daß der Boykottaufruf wirklich spürbare Konsequenzen für die Unternehmen haben wird?
Wir wissen aus der Vergangenheit, daß ein Boykott spürbare Auswirkungen hat, wenn man ihn gezielt macht und nicht allzu weit streut. Boykottaufrufe haben auch bei uns Konsequenzen gezeigt, als es um Importe aus Südafrika ging. Bei uns ist eine solche Bewegung erst im entstehen, aber sie wächst ständig. Und eine Gelegenheit wie diese sollte genutzt werden, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu zeigen: Ihr habt Möglichkeiten, Politik auch und gerade im Supermarkt zu betreiben. Interview: Vera Gaserow
Die Verbraucher Intiative e. V hat eine Liste der in Verdacht stehenden Firmen und der von ihnen produzierten Konsumgüter erstellt. Diese Liste mit Einkaufsalternativen kann bestellt werden bei: Verbraucher Initiative Bonn, Breitestr. 51, 53 Bonn 1, Einzelpreis 2 DM, ab 100 Stück 7,50 DM.
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