: Hugo Race and The True Spirit
■ Ewig unterwegs zu den Verwandten
!!! — Das ist Musik — !!! Das ist Musik, die den Rücken runter und das Lagerfeuer wieder rauf geht. Amerikanischer Blues, gesungen auf den zerkratzten Stimmbändern eines australischen Auswanderers, der in den europäischen Großstädten erwachsen geworden ist. Das ist die Musik eines Mannes, der sich ein Jungengesicht bewahrt hat. Und der sich nicht zu schade ist, sich für die Aufnahme seiner Platten in solch sympathische Städtchen wie Bonn aufzumachen.
Kein Weg ist ihm zu weit. »Für Victoria« führe er vierhundert Meilen lang die Straße runter; für den Rest ist die Post zuständig: »Send me your pillow, baby, the one you've been crying on...«. Die Männer sind wild, wild. Die Männer sind einsam und unterwegs, mit einer Gitarre oder einem Gewehr in der Hand. Always the same song — it's a dirty old waltz...
Und während die Platte »Earls World« zum 17. Mal in den letzten 24 Stunden sich auf dem Teller dreht — nachts hatte sie über der schlaflos Herumliegenden noch die gesamte Einsamkeit des Universums ausgeschüttet — während sie also noch immer läuft, dämmert es langsam, und unangenehm die Einsicht, immer auf den gleichen Gestus hereinzufallen, auch wenn es sich hier nicht um Nick Cave handelt.
Aber Hugo Race and The True Spirit entstammen der gleichen Familie. Aus dem Clan ins Studio reisten für »Earls World« Thomas Wydler von den Bad Seeds und Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten, um das familieneigene Album mit Bildern von unendlich weiten Ländern voller unglücklicher, ums innere Überleben kämpfender Gestalten zu komplettieren. Zur engeren Verwandtschaft zählen Rainer Lingk (Die Haut) und Chris Hughes von Once upon a Time. Die hatten vor drei Wochen im Caf Osten Begeisterungsstürme entfacht — kein Wunder, sind sie wiederum verschwägert mit Crime and the City Solution, welche wiederum Paten sind von Nick Cave, bei dem Hugo Race selber einmal gespielt hat. Nichtzuletzt hat eben dieser junge Mann auch das Drehbuch für »Ghosts of the Civil Dead« geschrieben, und ewig so weiter.
In solch Clans will der Kleinere immer anders sein als der Größere, und wird es deshalb auch. Hugo Race hat viel zu wenig Sorge, sich mit seiner Stimme exhibitionieren zu können, als daß er zu verwechseln wäre. Roh und rauh ist sie, und aggressiv, und angenehm verkörpert sie den Mythos vom weichen Kern hinter der rauhen Schale, und ganz weit weg ist sie und damit ganz irdisch, manchmal auch nicht mehr Instrument als all die dem Wilden Westen entliehenen, Atmosphäre erzeugenden Geräte um sie herum. Für sie ist keine Straße zu lang, vierhundert Meilen für Hugo — der Weg führt heute ins Ecstasy, gern einsam und allein. ZeWa
Um 21 Uhr im Ecstasy
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