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In den neuen Ländern brechen die Ostexporte weg

■ Mit der Umstellung vom Transfer-Rubel auf harte Devisen werden die sowjetischen Großkunden zahlungsunfähig/ Eine Umfrage

Berlin (dpa) — Für viele Betriebe der ehemaligen DDR, die früher vorwiegend von subventionierten Exporten nach Osteuropa und in die Sowjetunion, lebten, geht derzeit nichts mehr. Bei den meisten von ihnen kam es — so ergab eine eine Umfrage der 'dpa‘ — zu enormen Auftragseinbrüchen, seit die Ostgeschäfte zum Jahresbeginn von der Verrechnungseinheit Transfer-Rubel auf Bezahlung in harten Devisen umgestellt wurden.

In Magdeburg, dem früheren Zentrum des Schwermaschinenbaus, will die aus dem ehemaligen Schwermaschinen-Baukombinat Karl Liebknecht hervorgegangene SKL Motoren- und Systemtechnik AG bis Ende 1992 nur noch 4.000 ArbeitnehmerInnen beschäftigen. Von den gegenwärtig 6.600 Werktätigen wurde bereits die Hälfte auf Kurzarbeit gesetzt.

SKL exportierte früher 62 Prozent seiner Erzeugnisse, insbesondere Schiffsdieselmotoren, nach Osteuropa und überwiegend in die SU. Beim zweiten Magdeburger Großunternehmen, der SKET Maschinen- und Anlagenbau AG, arbeiten fast 4.300 der 10.300 Beschäftigten des Stammhauses kurz. Hier lag der Ostexportanteil sogar bei 70 Prozent.

Die Takraf-Schwermaschinen AG (Leipzig) machte mit den RGW- Staaten mehr als ein Drittel ihres Gesamtgeschäfts. Sie hat von den ehemals 34.000 Beschäftigten bereits 7.000 entlassen. Um wettbewerbsfähig zu werden, will Takraf weiter abspecken. Bei der Brehmer GmbH, hervorgegangen aus dem Kombinat Polygraph, sank der Anteil des Ostgeschäfts von früher 30 auf jetzt etwa zwölf Prozent. Viele Kunden seien „so gut wie zahlungsunfähig“, sagte Geschäftsführer Peter Müller. Die Belegschaft soll von 3.600 auf 950 abgebaut werden.

Auch das Chemieunternehmen Buna AG (Halle) klagt über zahlungsunfähige Handelspartner im Osten. Die auf Kälteanlagen spezialisierte Maschinenfabrik Halle registriert zwar einen großen Bedarf im Osten, die potentiellen Kunden seien aber nicht zahlungsfähig. Ebbe herrscht auch bei den Pumpenwerken Halle. Fast sämtliche Ostpartner hätten die Verträge storniert.

In Thüringen starteten viele Unternehmen mit kaum gefüllten Auftragsbüchern ins neue Jahr. Nach Angaben des Vizepräsidenten des Verbandes der Thüringer Wirtschaft, Otto Brandt, sind sowjetische Ministerien und Firmen häufig nicht bereit, die von der Bundesregierung eingeräumten Kreditmöglichkeiten für Lieferungen aus den neuen Bundesländern in Anspruch zu nehmen. Wegen des ausbleibenden Ostexports sind unter anderem Jena Optik Carl Zeiss Jena (28.000 Beschäftigte) und die Büromaschinenwerk Sömmerda AG (11.000 Beschäftigte) in Existennöte geraten. Carl Zeiss setzte früher 70 Prozent seiner Erzeugnisse im inzwischen zusammengebrochenen RGW-Markt ab. Das Büromaschinenwerk mußte jeden zweiten in Kurzarbeit schicken.

Die weiterhin vom Konkurs bedrohte Simson Fahrzeug GmbH (Suhl) hat ihre Hoffnungen auf Ostgeschäfte noch nicht ganz aufgegeben. Geschäftsführer Hilmar Polle hofft, in die Sowjetunion 100.000 seiner 50-Kubikzentimeter-Motoren verkaufen zu können. Simson müsse aber erst auf die Exportliste der Sowjetunion. Robotron Zella-Mehlis, ein Ableger des früheren Robotron- Kombinats, lieferte einst 60 bis 80 Prozent seiner Erzeugnisse in den Osten. Das Sanierungskonzept sieht nur noch einen Osthandelsanteil von fünf bis zehn Prozent vor.

Der Geschäftsführer des vor zehn Jahren als Exportbetrieb für die Sowjetunion errichteten Teppichwerks Malchow im mecklenburgischen Kreis Waren, Adolf Frisold, erklärt: „Wir könnten ohne den SU-Export nicht existieren.“ Inzwischen sind 660 Beschäftigte in Kurzarbeit gegangen. Die Schweriner Lederwaren GmbH, einst der größte Lederwarenhersteller der DDR mit einem UdSSR-Exportanteil von 45 Prozent, mußte inzwischen die Hälfte der einst 1.800 Beschäftigten entlassen und einen großen Teil der Übriggebliebenen auf Kurzarbeit setzen. Bei den Kleiderwerken Güstrow schließlich, die auch völlig vom Ostgeschäft lebten, ist die Auftragslage, wie Geschäftsführer Horst Knöppel sagte, „gleich Null“.

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