: „Rückhand, Rückhand, Rückhand“
■ Boris Becker und Ivan Lendl erreichten das Finale der Australian Open
Melbourne (taz/dpa) — Die ATP- Tennis-Weltrangliste ist eine solch komplizierte Angelegenheit, daß jede Vorausberechnung eventueller Positionswechsel meist eine Flut von Dementis und Berichtigungen auslöst, die erst mit dem Erscheinen des offiziellen Werkes endet. Drum hier unter allen Vorbehalten der behauptete Stand vor dem Finale der Australian Open, das Boris Becker gegen den Tschechoslowaken Ivan Lendl bestreiten wird: Sollte Becker am Sonntag gewinnen, würde er mit 3.935 Punkten die erste deutscher Nummer 1 der Weltrangliste werden.
Der 23 Jahre alte Leimener setzte sich im Halbfinale gegen Patrick McEnroe (USA) 6:7 (2:7), 6:4, 6:1, 6:4 durch. Lendl gewann nach Abwehr von zwei Matchbällen 6:4, 5:7, 3:6, 7:6 (7:3), 6:4 gegen den noch amtierenden Weltranglisten-Ersten Stefan Edberg (Schweden) und machte damit den Machtwechsel möglich. Edberg hat nun 3.801 Punkte auf seinem Konto. Verliert Becker, dann behauptet der Schwede seine Position mit einem Vorsprung von 21 Punkten.
Becker erwischte mit einer 3:0-Führung gegen den 24jährigen Weltranglisten-114. zwar einen Start nach Maß, spielte sich dann aber in eine Krise. „Rückhand, Rückhand, Rückhand“, schrie er verzweifelt, als dieser Schlag immer wieder dort landete, wo er ihn nicht hinhaben wollte. „Da habe ich ein bißchen die Nerven verloren“, gab Becker zu, „aber Gott sei Dank bin ich dann wieder reingekommen“.
Vom zweiten Satz an traf er die Linien wie er wollte und spielte den Amerikaner nach Belieben aus. „Er kann sich eben steigern, wenn es darauf ankommt“, sagte McEnroe, „deswegen ist er auch ein großer Champion“. Becker schlug insgesamt 23 Asse und stellte zufrieden fest: „So gut habe ich schon lange nicht mehr aufgeschlagen.“ Nach 3:10 Stunden stand er im Endspiel dieses Grand-Slam-Turniers, bei dem er bisher nie über das Viertelfinale hinausgekommen war.
Das Match zwischen Lendl und Edberg wurde vor 15.000 Zuschauern in der Mittagshitze des ausverkauften Centre Court im Flinders Park zum Krimi. Der 30jährige Weltranglisten-Dritte profitierte davon, daß Edberg eine äußerst schwankende Leistung zeigte und in entscheidenden Momenten versagte. Als Edberg bei 5:4 im vierten Satz zum Match aufschlug, setzte er erst einen Volley ins Netz. Beim zweiten Matchball unterlief ihm einer seiner elf Doppelfehler.
„Mein Job ist noch nicht zu Ende“, sagte Lendl, „ich bin nicht hierhergekommen, um Stefan im Halbfinale zu schlagen, sondern um zum dritten Male das Turnier zu gewinnen“. Müde sei er nicht nach dem 4:03 Stunden langen Spiel: „Der Sieg hilft.“ Edberg sagte nur noch: „Es ist schon hart, ein Spiel zu verlieren, wenn man so nah vor dem Sieg steht. Von diesem Match werde ich wohl eine Nacht lang träumen.“
Becker steht zum siebten Mal im Finale eines Grand-Slam-Turniers. Die Voraussetzungen für seinen fünften Titel scheinen günstig, denn für Sonntag sind nur 22 Grad vorhergesagt, so daß Beckers Probleme mit der Hitze nicht ins Gewicht fallen dürften: „Mir macht die Hitze erst etwas aus, wenn es richtig heiß ist, so über 32 Grad.“
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