: Demonstratives Agieren
■ Der Verfassungsschutz versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen
Wer sich im Moment die Zeit nimmt, außer auf den Kriegsschauplatz am Golf seinen Blick auch noch nach Bonn zu wenden, kann dort ein innenpolitisches Kabinettstückchen ersten Ranges begutachten: Vor allem die Partei unseres Außenministers, die, mit unterschiedlicher personeller Besetzung, eben nicht nur für den Frieden, sondern seit Jahren auch für die Förderung des Exports zuständig ist, wehrte und wehrt seit langem alle Versuche ab, die die Erfolgsbilanzen der Exportweltmeister durch bürokratische Einengungen schmälern könnten. Doch nun droht der Zielkonflikt: Mit Leichenbittermiene beklagt sich Genscher über die „Händler des Todes“, wohl wissend, daß die meisten dieser Unternehmen im Wirtschaftsministerium gut bekannt sind.
Demonstratives Agieren tut not. In diesem Sinne ist die Idee, den Verfassungsschutz mit der Aufgabe des Schutzes des deutschen Ansehens im Ausland zu betrauen, nahezu genial. Zum einen soll damit gezeigt werden, daß man nunmehr bereit ist, schärfere Waffen im vorgeblich schon lange geführten Kampf gegen die „schwarzen Schafe“ der deutschen Wirtschaft einzusetzen, zum anderen sollte dies endlich auch diejenigen versöhnen, die bislang an der Arbeit des Verfassungsschutzes etwas auszusetzen hatten. Das beste aber ist, daß damit der Geheimdienst selbst saniert werden kann. Bereits im März 1990 begab sich der Verfassungsschutz auf die Suche nach neuen Aufgabenfeldern, schlug die Amtsleitung vor, künftig in die Aufdeckung sensibler Exporte einbezogen zu werden.
Zur Zeit werden die Befugnisse der Polizei zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, wozu die Lieferung von Giftgasfabriken ja wohl gehört, erweitert; parallel dazu soll nun die Informationssammelei des Verfassungsschutzes neu legitimiert werden. Wichtiger aber ist dieser Punkt: Die Polizei ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, aus ihren Erkenntnissen folgen im allgemeinen Ermittlungen und gegebenenfalls Anklagen. Staatsanwälte können ihr Weisungen erteilen. Das alles gilt für den Verfassungsschutz nicht. Er informiert die Bundesregierung. Alles weitere ist dann alleine eine Frage der politischen Opportunität. Solange die Lieferung von U-Boot-Blaupausen vom Kanzleramt gedeckt wird und Daimler-Benz seine schützende Hand über die Raketenbauer hält, wird es immer geschäftstüchtige Mittelständler geben, die es nicht anstößig finden, eine kleine „Pestizidfabrik“ in den Irak zu liefern. Der Verfassungsschutz soll das allenfalls solange verhindern, wie es politisch unumgänglich erscheint. Jürgen Gottschlich
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