: Auf Abwegen durch die Stadt
■ Eine Rundfahrt vom Kultur-Kontor
Gorki schrieb einmal, daß es keine Kultur gäbe, die nicht mit dem Alltag verbunden ist. In Berlin bewahrheitet sich dies sehr schnell. 750 Jahre wechselvolle Geschichte haben ihre Spuren hinterlassen. Diejenigen, die sie deuten und nutzen wollen, kommen hier auf ihre Kosten. Um die Stadt kennenzulernen, gibt es viele Wege, die durch Berlin und Umgebung führen.
Einige, teils verschlungene, kulturelle Pfade für die interessierte Öffentlichkeit aufzuzeigen, hat sich das Kultur-Kontor Berlin zur Aufgabe gemacht. Das private, 1985 gegründete Unternehmen ist ständig auf der Suche nach alternativen Ideen und Formen, Berlin für Kulturinteressierte auf vielerlei Art transparent zu machen. Inhaber Siegfried Schlieps, der geistige Kopf des Unternehmens, versteht sich als Pfadfinder im kulturell-touristischen Bereich. Niveau und Abwechslung sind oberstes Gebot: Keine drögen Stadtrundfahrten, in denen die Berlinbesucher abhaken können, was ihnen dick hinter Isolierglas vorgeführt wird, kein fast-food für gehetzte Touristen, sondern eher richtungsweisende Entdeckungsreisen will das Kultur-Kontor schon eingeweihten Stadtkennern bieten.
Im Programm stehen ausgewählte Touren durch die Epochen der Stadt wie »Berlin im 19. Jahrhundert«, »Berlin um die Jahrhundertwende«, »Berlin 1933-1945«, aber auch die Industrialisierung Berlins oder die Kirchen der Stadt sind Bestandteil der Fahrten. Die historischen Exkursionen — auch in das gesamtdeutsche Umland — oder Spaziergänge durch das alte Villenviertel im Grunewald sind so angelegt, daß sie dem Betrachter Zeit und Raum lassen, die Eindrücke selbst zu bewerten und zu beurteilen.
Am kommenden Wochenende bietet das Untenehmen eine Reise durch die Architektur der Stadt an. In der circa vier Stunden langen Fahrt für Einsteiger, also diejenigen, die kaum oder keine Vorkenntnisse mitbringen, wird ein Stadtbild vorgeführt, das nicht nur zum Verweilen einladen, sondern auch Abschreckendes zeigen wird: architektonische Umweltverschmutzungen, die sich wie Narben ins Gesicht der Stadt eingegraben haben. Aber auch der Ideenreichtum der IBA-Baumeister wie das neue Tegeler Hafenviertel werden zu sehen sein. Die Entwicklung Berlins und der Prozess der Veränderung stehen hierbei im Mittelpunkt.
Mittelmaß sei ihm fremd, sagt Siegfried Schlieps. Der studierte Theaterwissenschaftler und Kunsthistoriker hat freie Mitarbeiter um sich geschart, die allesamt Spezialisten sind: die einen wühlen in der Vergangenheit, die anderen in der Gegenwart der Stadt nach Neuem und Verborgenem von einst und heute, um es in ihre Touren durch und um Berlin mit einzubauen. Wissenswertes und Alltägliches, Historisches und Zukünftiges sind programmatisch einsetzbar.
Um der wachsenden Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, sucht das Kultur-Kontor immer nach neuen verwertbaren Möglichkeiten: Berlin, die alte und die neue Stadt, soll zeigen, was sie zu bieten hat. Demnächst werden Schlieps und seine Mannschaft auch Studienfahrten in die ehemalige DDR unternehmen.
Ob individuell oder in der Gruppe: Zwischen dem Bus, zu Fuß oder dem Schiff kann entschieden werden, wie man/frau sich fortbewegen will. Heute um 11 Uhr. Boris Erdtmann
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