: Viel Arbeit für Restauratoren
■ Arbeiten an der der Neuen Synagoge Berlin werden auch im Winter fortgesetzt/ Raumausmalungen werden konserviert/ Dokumente fehlen
Berlin. Wenn es Straßenpassanten auch so scheinen mag: die gänzlich eingerüstete Neue Synagoge in der Oranienburger Straße hält keinesfalls Winterschlaf. Im Innern des bei einem Bombenangriff 1943 weitgehend zerstörten einstigen Prachtbaus, der bis 1995 teilweise wieder aufgebaut wird, geschieht auch in der kalten Jahreszeit manches, was Blicken von draußen verborgen bleibt.
Restauratoren sind dabei, anhand von Musterachsen die wertvollen Raumausmalungen, soweit noch vorhanden, zu konservieren. »Die Ruine hat 40 Jahre und länger stark bewittert gestanden, so daß unterschiedliche Schäden an der Ausmalung zu finden sind«, erläutert Thomas Tapp, einer der Restauratoren, den derzeitigen Zustand. Besonders gravierend ist nach seinen Worten der fast totale Bindemittelverlust der Farbschichten. Die Schäden sind nur in mühevoller, aufwendiger Kleinarbeit zu beheben. Erst wenn die Farbschichten verfestigt sind, können sie von Staub- und Schmutzablagerungen gereinigt werden, bevor die Schlußkonservierung vorgenommen wird. Diese soll dann den ursprünglichen Oberflächencharakter wieder herstellen.
Die von dem Schinkel-Schüler August Stüler entworfenen Innendekorationen sind zwar an maurischen Vorbildern orientiert, aber im Sinne der Zeit frei variiert und mit spätklassizistischem Biedermeierdekor kombiniert. Von der Vorhalle bis hin zur früheren, nicht mehr bestehenden Hauptsynagoge steigerte sich der Aufwand bei der Innenraumdekorationen. Das Prinzip ist heute noch ablesbar: Relativ bescheiden in den Vorräumen, wurde der baukünstlerische Schmuck immer reichhaltiger und kulminierte in der Apsiarchitektur mit dem Thora-Schrein, dem Allerheiligsten. »Die Räume im vorderen Abschnitt des Gebäudes, mit denen wir es zu tun haben«, so Tapp, »sind weniger aufwendig gehalten.« Die Dekorationen seien nicht von Künstlern, sondern von qualifizierten Malermeistern jener Zeit ausgeführt worden. »Wir wollen die originalen, authentischen Reste der Wandfassung konservieren.«
Auffällig ist der teilweise komplette Verlust der Zinkgußelemente. Sie sind höchstwahrscheinlich geraubt worden. Dennoch sind die Reste der historischen Innenarchitektur erstaunlich umfangreich. Für keinen Raum sei allerdings die originale Gestaltung in Relief und Farbfassung komplett belegbar. Bei den Arbeiten kommt es darauf an, besonders Originalsubstanz am Ort zu konservieren. Die Ruine der Hauptsynagoge ist Ende der fünfziger Jahre restlos beseitigt und abgetragen worden. Offenbar ohne vorangegangene Dokumentation.
»Alles — einmaliger Glanz, das Leben im Haus, die plötzliche und die schleichende Zerstörung — ist am Bau vergegenständlicht und ablesbar«, unterstreicht Robert Graefrath von der Dienststelle des Landeskonservators beim Senat. Er nennt es eine existentielle Aufgabe, die Erinnerung an diese Geschichte wachzuhalten.
»Was wir anstreben, ist kein Versuch der Wiederherstellung — man kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen und die Dahingemordeten nicht zu neuem Leben erwecken.« Es sei das Ziel, den symbolträchtigen Ort wieder in einen jüdischen Ort zu verwandeln. Diese Worte, die Heinz Galinski beim Richtfest für die im Rohbau fertiggestellte und montierte Hauptkuppel der Neuen Synagoge im vorigen Herbst sprach, dürfen durchaus als Maxime für das denkmalpfelgerische Konzept angesehen werden.
Anläßlich des 125. Jahrestages der Einweihung des Bauwerkes (5. September 1991) soll die Außengestaltung des als Ruine erhaltenen vorderen Gebäudeabschnitts einschließlich der drei Türme in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt sein. Der Innenausbau wird danach noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Uwe Völschow/adn
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