: Ein Goldbarren lockte die Könige zum Kampf
■ Das Internationale Mehrkampfmeeting in Berlin lockte die deutsche Spitzenklasse an, doch den Goldbarren ergatterte der Vizeeuropameister und Vorjahressieger Dezsö Szabo aus Ungarn vor dem Berliner Thomas Halamoda
Berlin (taz) — „Zu mir können die Leute kommen, wenn sie einen Imbiß mit Eiweiß oder Kohlehydraten wünschen“, begründete Peter Maier, Chefkoch des deutschen Zehnkampfteams, sein Dasein in der Rudolf-Harbig-Halle. Die Zuschauer des Internationalen Hallenmehrkampfes hatten diese Kraftspender auch dringend nötig, denn die Audienz bei den KönigInnen der leichten Athletik dauerte zwei Tage. Weltmeister und Olympiasieger Torsten Voss gab sich ebenso die Ehre wie der Vize-Europameister Dezsö Szabo (Ungarn) und der Deutsche Meister Michael Kohnle.
Als habe er noch nie etwas von Gastfreundschaft gehört, setzte sich am ersten Wettkampftag überraschend Thomas Halamoda vom OSC Berlin an die Spitze der Männerriege. Die 60 Meter sprintete er in der Hallenbestzeit von 6,88 Sekunden, sprang kurz darauf 7,66 Meter weit, stemmte die Kugel auf 15,59 Meter und tat anschließend noch einen 2,01 Meter hohen Freudensprung.
Auch bei den Monarchinnen schwang zunächst eine Hiesige das Fünfkampfzepter. Peggy Beer, die Europameisterschaftsdritte vom SC Berlin, lief über 60 Meter Hürden mit selbst für Spezialistinnen exzellenten 8,16 Sekunden allen Konkurrentinnen den Rang ab. Erstaunliche 1,83 Meter im Hochsprung machten die 21jährige schnell zur Favoritin.
Aber Mehrkampf ist halt mehr als nur die Addition von Einzelleistungen. Schon als Thomas Halamoda zu Beginn des zweiten Tages über 60 Meter Hürden seine fünfte Bestmarke in Folge setzte, sprachen alle vom Ungar Szabo als heißester Siegertip. Denn der erst 20jährige Deutsche Meister Michael Kohnle, bekannt für seinen starken Endspurt, war wegen einer Knieverletzung nicht mehr zum Stabhochsprung angetreten. „Bei dieser Disziplin muß man total fit sein, sonst landet man am Ende nicht mal auf der Matte“, sagte der Schwabe bedauernd. Und bei Thomas Halamoda sind der Stabhochsprung und die 1.000 Meter bekanntermaßen keine Paradedisziplinen. 4,50 Meter übersprang der Berliner, während der Ungar erstmals bei fünf Metern zum Stab griff, sich beängstigend nahe an die Hallendecke katapultierte und erst nach übersprungenen 5,20 aufhörte. Halamodas Vorsprung war bis auf Rudimente geschrumpft.
Duplizität der Ereignisse. Beim Weitsprung der Frauen, der vierten Disziplin, erreichte die führende Peggy Beer zwar gutbürgerliche 6,31 Meter. Doch die Rumänin Lilian Nastase überholte sie mit einem Panthersprung von 6,65. Also mußten die abschließenden Mittelstrecken in beiden Geschlechtsklassen die Entscheidung bringen. Als wäre Berlin im Strudel der jüngsten Geschichte die Puste ausgegangen, so wurden seine Lokalmatadoren noch vom Siegerpodest geblasen. Peggy Beer, mit der gerade auskurierten Grippe an den Start gegangen, fiel noch fünf Ränge hinter die Siegerin aus Rumänien zurück. Hier belegte die Schwedin Monica Westen Platz Zwei vor der Olympiadritten Anke Behmer aus Neubrandenburg.
Auch Halamoda sollte in letzter Sekunde die Hand wieder vom Goldbarren nehmen. Fünf Sekunden mußte der laufstarke Ungar bei den 1.000 Metern gegenüber dem Berliner gutmachen — und schaffte es. Nach 600 Metern zog Szabo an, als ob er gerade vom Erholungsurlaub käme. Halamoda raste bis zur völligen Erschöpfung hintendrein — umsonst. Mit hauchdünnen sieben Punkten Vorsprung gewann Szabo (6.053) vor Halamoda und Voss (5.996). Uwe Ebenhöh
Frauen, Fünfkampf: 1. Lilana Nastase (Rumänien) 4.659 Punkte (60 m Hürden — 8,18 s, Hoch — 1,71 m, Kugel - 13,09 m, Weit — 6,65 m, 800 — 2:13,41 Min., 2. Monica Westen (Schweden) 4.520 (8,44 — 1,83 — 11,17 — 6,05 — 2:07,37), 3. Anke Behmer (Neubrandenburg) 4.478 (8,58 — 1,65 — 14,20 — 6,30 — 2:12,17), 4. Ines Krause (Chemnitz) 4.459, 5. Sybille Thiele 4.380, 6. Peggy Beer (beide SC Berlin) 4.362.
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