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Privatisierung in die Taschen der Nomenklatura

Wie in Bulgarien die abgetretenenen Machthaber dubiose Geschäfte im Ausland betreiben/ Woher kommt das Kapital?  ■ Aus Sofia Barbara Rogalska

Bis jetzt hat noch keine große Wirtschaftsaffäre Bulgarien erschüttert, die die Machenschaften der ehemaligen Parteibonzen bloßgestellt hätte. Trotzdem druckt besonders die Oppositionszeitung 'Demokracja‘ oft Artikel, die die Weste der bisherigen Hüter des Gemeineigentums in nicht allzu weißen Licht erscheinen lassen. Die haben sich von linientreuen Kommunisten inzwischen flink in vornehme Geschäftsleute verwandelt. So wird die Gründung immer neuer Privatfirmen im In- und Ausland heftig von der öffentlichen Meinung kommentiert.

Woher kommt das Kapital, das dahintersteht? Ist doch bekannt, daß es in den letzten 45 Jahren in Bulgarien auch nicht den kleinsten privaten Laden gab und noch bis heute die Landwirtschaft kollektivisiert ist. Auch eine Wirtschaftsemigration wie in Polen gab es nicht, so daß praktisch nur Mitglieder der alten Machtelite über größeres Vermögen verfügen. Nur sie kennen zugleich auch die Gesetzeslücken und haben internationale Kontakte. 'Demokracja‘ verlangt daher eine Parlamentsdebatte zu diesem Thema und die Konfiszierung des Vermögens der Nomenklatura. Doch die Justiz hat bis jetzt keine rechtliche Handhabe dazu und das Parlament hat noch keine Zeit gefunden, entsprechende Gesetze zu verabschieden.

Draze Welczewa, die Erster Sekretär der Bulgarischen KP in Plovdiv und zugleich Führungsmitglied der KP in Sofia war, besitzt einen Gartenbaubetrieb in Wien. Ognian Dojnov, ehemals Industrieminister und Vorsitzender des Wirtschaftsrats beim Ministerrat Bulgariens, leitet eine Firma in Schweden. Zwei ehemals einflußreiche Würdenträger der Partei, Grigor Stoickow und Marin Zermenow, letzterer Chef der großen Bauexportfirma „Technoexport Stroj“, errichteten auf den Ruinen dieser Firma, die sie zuvor in den Konkurs geführt hatten, eine große Baufirma in Nigeria. Woher aber kam das Kapital dazu? Eines jener Privilegien, das die Personen aus dem engsten Kreis der Macht in der Volksrepublik Bulgarien genossen, war die Möglichkeit, Lewa zu einem sehr niedrigen Kurs in harte Währungen einzutauschen.

Die Bulgarische Sozialistische Partei, wie sich die Kommunisten seit kurzem nennen, gab selbst bekannt, daß im Laufe der letzten fünf Jahre einige zig Mitglieder der Parteiführung auf diese Weise zirka 330.000 Dollar eingewechselt haben; darunter Todor Sivkov, sein Sohn, sein Neffe und seine Enkelin sowie Präsident Petyr Mladenov und Expremier Grisa Filipov. Eingeweihte sind der Ansicht, daß es sich dabei jedoch nur um die Spitze eines Eisberges handelt — auf bis zu eine Milliarde Dollar wird das so veruntreute Kapital geschätzt, das sich jetzt auf ausländischen Bankkonten befinden soll.

Stoickov und Zermenov machten es sich noch leichter: Sie verwandelten die Staatsfirma „Technoexport Stroj“ gleich in ihr Privateigentum und verlegten sie nach Nigeria. Aufgrund ihrer Verbindungen konnten sie so einige einträgliche Kontrakte mit Nigeria unter Dach und Fach bringen. So kaufte Bulgarien auch 1989 von Nigeria Computer zum mehrfachen ihres Weltmarktpreises. Direktor der bulgarischen Abnehmerfirma war — nicht zufällig — der Sohn Zermenovs. „Technoexport Stroj“ ging in Konkurs, die Konkursmasse erwarben zu Schleuderpreisen der bisherige Direktor Zermenov und sein bester Freund Stoickov.

Da gibt es auch noch eine sehr geheimnisvolle bulgarisch-venezolanische Gesellschaft „FTA“, die sich u.a. mit der Produktion von Reifen beschäftigt. Die „Sonniger Tag GmbH“, die ursprünglich der KP gehörte und jetzt ins Eigentum der Sozialisten überging, erwarb am Schwarzen Meer ein Luxushotel aus KP-Besitz und vermietet jetzt an reiche ausländische Touristen. Zugleich findet in Bulgarien aufgrund des Dekrets Nr.56 die sogenannte „kleine Privatisierung“ statt. Da das Parlament noch immer kein Privatisierungsgesetz verabschiedet hat, ist dieses dauernd geänderte Dekret bisher die einzige Rechtsgrundlage. Doch längst nicht alle Restaurants, Läden und Kleinbetriebe werden deshalb an Kaufwillige verkauft. Es gibt zwar zahlreiche potentielle Investoren, die unterschriftswillig sind, aber auch ständige Ablehnungen. Auf wen wartet beispielsweise ein modernes, aber restaurationsbedürftiges Hotel in der Innenstadt von Sofia oder ein Restaurant, das eine Exilbulgarin in ein Schnellrestaurant verwandeln möchte? Auf die Parteioligarchie von einst, die ihre Parteibücher in Scheckbücher eingetauscht hat, behauptet die Opposition.

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