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Gleichgültig

■ Genschers Reise und Husseins Rückzug

Saddam Hussein lenkt ein. Dazu gebracht — an dieser Legende wird vermutlich schon gestrickt — hat ihn auch die Politik des Hans- Dietrich Genscher. Keine 24 Stunden nachdem der deutsche Außenminister seine Nahostreise beendet hat, erklärt Iraks Präsident sich zum bedingten Rückzug aus Kuwait bereit. Zwar ist noch unklar, was dies bedeutet. Zwar bomben die USA erst einmal weiter. Sollten die Waffen am Golf demnächst aber wirklich schweigen, wird es sich Genscher nicht nehmen lassen, dies irgendwann, irgendwie mit seiner Außenpolitik und seinem jüngsten Wirken in der Region zu verbinden.

Zu Unrecht. In Ägypten, in Syrien und in Jordanien hat der Minister Golfkriegspolitik betrieben wie bisher: Das massenhafte Sterben im Mittleren Osten fand für ihn einfach nicht statt. Was stattfand, war ein weiterer Versuch, sein neues Image des Drückebergers loszuwerden — indem er sich das des Co-Architekten eines künftigen nahöstlichen Friedens überzog. Daß es nicht sitzt, war in Ägypten, Syrien und Jordanien unübersehbar.

Hans-Dietrich Genscher, der Friedensarchitekt im Verbund mit Mubarak, Assad und König Hussein, hat keine Kompetenzen für diese Region. Wie der deutsche Außenminister von einer „Nachkriegsordnung“ dort redete, ohne den Krieg zu erwähnen, ist nicht nur gleichgültig gegenüber den Opfern. Es ist unglaubwürdig. Davon, wie lange der Krieg dauert, welche Opfer er fordert, wer ihn wie beendet — davon hängt für die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens viel ab. Als Friedensarchitekt für die Zeit danach überzeugt freilich auch nicht, wer wie Genscher bedingungslos auf jene Karte setzt, die Ägyptens Mubarak und Syriens Assad nun ziehen: eine neu zu schmiedende Machtachse Kairo, Damaskus, Riad. Ganz abgesehen davon, wie diese Regimes die Menschenrechte mißachten. Abgesehen auch davon, daß gerade Hafis el-Assad nicht weniger begehrlich auf Vormacht im Nahen Osten aus ist als Saddam Hussein: Wer behauptet, mit dem in der islamischen Welt schwer angeschlagenen Mubarak und dem untergehenden saudischen Königshaus sei ein „kollektives Sicherheitssystem“ zu installieren, der ist dumm oder gleichgültig.

Dumm ist Hans-Dietrich Genscher nicht. Ihm ist der Nahe und Mittlere Osten so gleichgültig wie bisher. Wie bisher geht es der deutschen Außenpolitik in dieser Region vor allem darum, daß es dort in etwa so ruhig bleibt wie vor dem Golfkrieg. Vielleicht gelingt dies — mit innenpolitischem Zwang und außenpolitischen Druck — auch nach dem Krieg noch eine Weile lang. Und diese Weile lang wird Genscher behaupten, er habe ihn mitgeprägt, den „Frieden“ in Nahost. Ferdos Forudastan

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