: Vereidigung beim „Klassenfeind“
■ In der Ahlener Kaserne legten erstmals Rekruten aus der ehemaligen DDR ihr Gelöbnis ab
Ahlen (taz) — Klaus Ebermann (46) aus Leipzig kennt die Zeremonie. Schon einmal hat er einem seiner drei Söhne beim feierlichen Eid zur Seite gestanden. Dennoch, am Donnerstag, beim Jägerbataillon 531 im westfälischen Ahlen, „ist alles ganz anders“. Vor vier Jahren schwor sein Ältester noch in der NVA der DDR den Sozialismus zu verteidigen, heute tritt sein Zweitgeborener an, um auf die Verteidigung von „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“ seinen Eid abzulegen. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“ findet Vater Ebermann, denn damals wurde der „Sozialismus in den höchsten Tönen gelobt“, und „die Bundesrepublik war der Kriegstreiber“. Jetzt ist er froh, daß sein Sohn bei den einstigen „Kriegstreibern“ dient.
97 Rekruten aus dem Bereich der fünf neuen Länder stehen mit rund 400 westdeutschen Kollegen zusammen bei frostigem Wetter stramm, während Bundesarbeitsminister Norbert Blüm — angesichts der Schreckensbilder aus dem Irak — für die moralische Aufrüstung sorgt. „Die Bereitschaft zum Gebrauch von Waffen gehört zur tragischen Dialektik der Friedenssicherung.“ Der Friede brauche „Macht, sich zu verteidigen“, denn der „bedingungslose Friede“ bedeute, „sich wehrlos den Aggressoren und Gewalttätern preiszugeben“. In diesem Sinne leisten die Alliierten am Golf für Blüm „Dienst für die Friedenszivilisation“. Daran hat Wilfried Thiele aus Leimbach im Harz so seine Zweifel. Thiele, dessen Sohn ebenfalls in Reih und Glied zur Vereidigung angetreten ist, findet zwar, „daß Blüm insgesamt den richtigen Ton zur Vereidigung getroffen habe“, aber ob der Krieg im Golf „richtig ist“, da möchte sich Thiele noch nicht festlegen. Vor gut 20 Jahren hat Wilfried Thiele selbst in der NVA gedient, im „guten Glauben, denn wir waren der Überzeugung, daß der Sozialismus die bessere Gesellschaftsordnung sei“. Selbst heute, so sagt der Baufacharbeiter und ehemalige „Genosse“ in der SED, „stehe ich noch zu der marxistisch-kommunistischen Theorie, die für mich die edelste Theorie überhaupt ist. Nur, wir haben sie nicht verwirklicht.“ Vater Thiele weiß von seinem Sohn, daß die Rekruten aus Ost und West „gut miteinander auskommen“. Das beruhigt ihn und seine Frau, „aber es ist schon schwer für uns, zu wissen, daß der Sohn in der Armee dient, der wir gegenüber gestanden haben. Doch wir sind auf dem Weg, auch dieses zu lernen und damit umzugehen.“ Walter Jakobs
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