: Faustrecht hilft jetzt auch nicht mehr
■ Darf die Bundesregierung den Emder Hafen zum Sperrgebiet erklären? Expertenmeinungen zu einer militärischen Maßnahme
Die Bundesregierung hat den Südkai des Emder Hafens zum militärischen Sperrgebiet erklärt und sämtliche Rechte des Landes Niedersachsen außer Kraft gesetzt. Die rot-grüne Landesregierung in Hannover beschloß, gegen die Verfügung aus Bonn juristisch nicht vorzugehen: Niedersachsen habe keine rechtlichen Möglichkeiten. Diese Frage ist juristisch heftig umstritten.
Horst Fischer ist Geschäftsführer des Instituts für Friedenssicherung und humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum. Das Vorgehen der Bundesregierung sei rechtlich korrekt und Niedersachsen habe wenig Möglichkeiten, dagegen zu klagen, meint Fischer.
Dieter Sterzel sieht dies ganz anders. Er arbeitet als Professor für öffentliches Recht an der Universität Oldenburg. Seiner Meinung nach könnte Niedersachsen rechtlich sehr wohl gegen die Sperrung des Emder Hafens vorgehen.
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taz: Herr Fischer, die Bundesregierung hat den Südkai des Emder Hafens auf der Basis des „Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Soldaten der Bundeswehr“ und die UNO- Resolution 678 — Vertreibung des Irak aus Kuwait - zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Ist das juristisch in Ordnung?
Horst Fischer: Das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges muß nicht im Zusammenhang mit UN-Resolution gesehen werden. Es kann auch im Frieden angewendet werden.
Was ist ihrer Meinung nach von der Kritik der grünen Landtagsfraktion zu halten, daß das Gesetz nur für Zwecke der Landesverteidigung eingesetzt werden darf. Die sei aber im Augenblick gar nicht gegeben.
Mir ist im Moment nicht ersichtlich, wo die Verbindung zwischen den im Gesetz genannten dienstlichen Aufgaben der Bundeswehr und der Landesverteidigung herkommen soll. Das steht so nicht im Gesetz. Und die Verbindung muß auch deshalb falsch sein, weil es natürlich zu den dienstlichen Aufgaben der Bundeswehr gehört, z.B. Maßnahmen im Rahmen des NATO- Bündnisses durchzuführen.
Die Bundesregierung bezeichnet die UNO-Resolution als völkerrechtliche Basis, Kritiker sagen aber, der Krieg am Golf sei von der Resolution längst nicht mehr gedeckt sei.
Ich halte das in der mometanen Situation für eine falsche Position. Alle Staaten sind durch die UNO-Resolution gehalten, die Koalition zu unterstützen. Insoweit wird jede Art von Waffenumschlag von der UNO-Resolution gedeckt.
Zum anderen ist es zur Erfüllung der Resolution, zur Vertreibung des Irak aus Kuwait also, notwendig, auch militärische Anlagen im Irak anzugreifen. Dabei ist natürlich die Frage berechtigt, wo die Grenze ist, ob das gesamte Militärpotential des Irak zerstört werden muß, um die Vertreibung aus Kuwait zu erreichen.
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taz: Herr Sterzel, was halten Sie vom juristischen Vorgehen der Bundesregierung?
Dieter Sterzel: Nach meinem Dafürhalten reicht das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges schon deshalb nicht aus, weil die Bundeswehr in Emden nicht ihre eigentliche Aufgabe erfüllt. Die Bundeswehr kann nach diesem Gesetz zwar eigene polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen durchführen — zum Beispiel Straßen sperren und Leute verhaften — aber Voraussetzung ist immer, daß es um die Erfüllung von Aufgaben der Bundeswehr geht.
Und was sind die Aufgaben der Bundeswehr?
Die Aufgaben der Bundeswehr sind durch die Verfassung selbst definiert. Die Bundeswehr hat nach Artikel 87a des Grundgesetzes die Aufgabe, für die Verteidigung der Bundesrepublik da zu sein. Und der Golfkrieg hat, darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel, auch wenn man die UNO-Resolution bemüht, mit der Verteidigung der Bundesrepublik überhaupt nichts zu tun.
Und das läßt sich aus dem Artikel 87a einwandfrei ableiten?
Ja, auch im Lichte der Kommentare. Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf, das ist seine typische Aufgabe. Auch der Spannungsfall, der auch der NATO-Bündnisfall sein kann, ist immer im Zusammenhang damit zu sehen, daß es sich um eine Verteidigungsaufgabe im Interesse der BRD handeln muß. Denn die NATO ist nach Artikel 15 des NATO-Vertrages ein Verteidigungsbündnis, das der Verteidigung der Bundesrepublik dient. Dabei ist unstreitig, daß im Augenblick überhaupt nicht vom Bündnisfall die Rede sein kann.
Könnte Niedersachsen juristisch mit einiger Aussicht auf Erfolg gegen die Militarisierung des Hafens vorgehen?
Ja. Die Landesregierung könnte gerichtlich gegen die Verfügung vorgehen und eine Klage einreichen.
Die Initiative „Bürgerinnen gegen Krieg Emden-Norden“ fordert, die Landesregierung solle Hafeneinrichtungen, über die sie noch verfügen kann sperren und damit die Verschiffung behindern. Geht das?
Das ist ziemlich konstruiert. Die Landesregierung hat ja jetzt die Praxis der Bundesregierung akzeptiert. Wenn die Landesregierung damit Probleme hat, muß sie das erst einmal gerichtlich klären. Sie kann jetzt nicht zum Faustrecht greifen und ihrerseits den Hafen zubaggern. Fragen: Hannes Koch
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