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Dem Militärapparat nicht dienen

■ Totalverweigerer gegen Golfkrieg: „Totalverweigerung ist kein Märtyrertum“

Nach 16 von 20 Monaten brach Hauke König seinen Zivildienst wegen des Golfkrieges ab. Seit dem 1. Februar 1991 erscheint er nicht mehr zum Dienst in der „Heimstätte für sozial pflegebedürftige Menschen“ in Kirchlinteln bei Verden. Hauke König ist einer von elf Männern, die sich in Bremen im Kollektiv der Totalverweigerer zusammengeschlossen haben. Für die Verweigerung sowohl des Kriegsdienstes als auch des Zivildienstes droht ihnen allen eine mehrmonatige Gefängnisstrafe. „Trotzdem bin ich kein Märtyrer, obwohl Totalverweigerung häufig so ausgelegt wird“, meint Hauke König.

Seine Eltern beschreibt Hauke, der 21 Jahre alt ist, als „progressiv-dynamisch“. Heute 42 Jahre, sind sie im richtigen Alter in die 68er-Bewegung hineingeraten. Hauke: „Mein Vater war Zeitsoldat, hat dann aber im Studium zu Anfang der 70er Jahre Seyfried und Mao gelesen und sich ziemlich geändert.“ Seinem Sohn sagte er, daß er an seiner Stelle auch den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern würde.

Zur Bundeswehr zu gehen, war für Hauke nie ein Thema. „Und mit der Kriegsdienstverweigerung dachte ich, wäre ich aus einem möglichen Krieg erstmal raus. Der Krieg war total weit weg.“ Während seines Zivildienstes dämmerte ihm allmählich, daß er auch als Verweigerer für den Krieg verplant ist. Daß er im Kriegsfall dazu verpflichtet werden kann, verwundete Soldaten zu pflegen und durch andere Arbeiten die Militärmaschine in der Etappe am Laufen zu halten. „Selbst Munitionstransporte muß du unter Umständen durchführen. Der einzige Unterschied zum Soldaten ist, daß du keine Waffe in die Hand zu nehmen brauchst“, sagt Hauke. Fasziniert habe er festgestellt, welches Netz der Verplanung für den Krieg durch die Notstandsgesetze schon gesponnen sei.

Bevor der Golfkrieg ausbrach, habe er „das alles gewußt“, es sei ihm aber „nicht richtig bewußt gewesen“. Außerdem wurde Hauke von den drakonischen Strafen abgeschreckt, mit der Totalverweigerung in aller Regel geahndet wird. Die Höchststrafe beträgt fünf Jahre, sechs Monate Gefängnis sind relativ wahrscheinlich.

„Aber seit der Krieg am Golf tobt, war für mich klar, daß ich den Zivildienst abbreche“, berichtet der Totalverweigerer. Sein Sohn Jan ist jetzt neun Monate alt. Ständig hat er vor Augen, daß Mütter und Kinder hingemetzelt werden und „Kinder wie meines, Leute wie ich verbrannt werden“. Besonders die Zivilbevölkerung leide wieder einmal unter diesem Krieg, der erst dann möglich sei, wenn das Hinterland ihn unterstütze.

Diese Unterstützung wollen Hauke und die anderen Totalverweigerer des Kollektivs dem Militärapparat entziehen. „Es geht darum, einen Krieg im Vorfeld zu verhindern. Wenn viele sich der Kriegsvorbereitung verweigern würden, wäre es erst gar nicht möglich, einen Krieg zu führen.“

Für Hauke König ist die Gewissensentscheidung für die Totalverweigerung eine, in der persönliche und politische Motive zusammenfließen. „Ich will in dieser Situation in diesem Staat, von den Leuten, die ihn regieren, nicht für den Krieg verplant werden“, sagt er.

Der Zwiespalt, sich durch seine Totalverweigerung auch der Versorgung Verwundeter im Kriegsfall zu entziehen, besteht für Hauke König nicht. Es geht ihm darum, den Krieg prinzipiell zu verhindern. Er will sich nicht zum Mittäter machen und würde, falls er zum zivilen Dienst im Krieg herangezogen würde, in einen unbefristeten Streik treten. „Ich würde auch andere Leute versuchen, davon zu überzeugen.“ Gleichzeitg hält er es aber für „völlig humanitär, wenn jemand einen verwundeten Soldaten plegt“. Das müsse jeder mit seinem Gewissen ausmachen.

Im Kollektiv wollen sich die elf Verweigerer — vier haben den Dienst schon niedergelegt, sieben wollen den Schritt erst noch tun — gegenseitig Unterstützung geben. Hauke wird demnächst Post von der Staatsanwaltschaft bekommen. Mit der Verhandlung rechnet er aber frühestens zum Ende des Jahres.

„Ein Märtyrer bin ich nicht“, meint Hauke, „aber ich will anderen ein Zeichen geben, daß man sich aus dem Militärapparat herausziehen kann. Ich nutze meine Situation, um anderen zu erzählen, in welcher Rolle Zivildienstleistende sind.“ Hannes Koch

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