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26 Badezimmer und andere Bilder

■ Ein Tag beim Videofilmfest in der Akademie der Künste

Wie jede rechtschaffene Kulturinstitution klagt auch das Videofilmfest über besonders hinterhältige Finanzkürzungen des Senats, doch an einem sollten sich die Veranstalter zumindest herzlich freuen: dem neuen Veranstaltungsort, der ehrwürdig-imposanten Akademie der Wissenschaften am Robert-Koch-Platz.

Und auch mit dem Innenraumdesign hat man sich alle Mühe gegeben: Ein Kantinenraum ist als deutsches Zimmer, mehr oder weniger plakativ-ironisch in schwarz-rot-gold gehalten, ein anderer ist eher hell und sachlich.

Vier Monitore übertragen die Videos, die auf der Leinwand im großen Vorführraum zwei Stockwerke höher gezeigt werden. Alles ist schön. Umso schlimmer, daß hell und volksschulkindergroß die Plastezigarettenskulptur des andernorts zurecht wegen Schwulenfeindlichkeit boykottierten Sponsors gegen eine besonders traurige Goldinschrift anleuchtet: »Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik«.

Lachend ging der erste Tag des Videofilmfests auf der »Nightflight«-Programmschiene vorüber; wartend begann der Samstag: Irgendwie hatten die Studenten der Film- und Fernsehakademie, die eigentlich am frühen Nachmittag Rohschnitte zum Thema »Verlangsamung-Geschwindigkeit — Die Umsetzung von Geschwindigkeit und Politik« vorstellen wollten, die falschen Kassetten zum falschen Projektor mitgebracht und gingen zunächst wieder, um erst spät in der Nacht zurückzukommen. Stattdessen zeigte der ungarische Regisseur Gusztav Hámos »The Real Power of TV«: während Mauerspechte auf dem Bildschirm die Mauer penetrieren, während Vaclav Havel mit Karel Gott über den Wenzelsplatz singt, Leichen aus den Gräbern gezogen werden, um im rumänischen Fernsehen den Putsch besser legitimieren zu können, »während das Publikum in der Krise auf das Fernsehen fokussiert wird« (Hámos), sieht (s)eine Oma in ihrer Wohnung zu und köpft ab und an ein paar Fische. Mögen die beim Fernsehen gesampelten Bilder auch in ihrer oft gesehenen Wiederholung den Kontakt zum Realen längst schon verloren haben, bekamen sie doch gegen das, was nachfolgte — blitzsaubere Videos der Kunstmediengruppe »Art Com« aus San Francisco, »spezialisiert auf Postmoderne« — etwas an Materialität zurück, allein, weil die Auflösung des Fernsehbilds bei Hámos noch nicht so high-tech-perfekt ist.

Das Konzept von »Art Com« — so es denn eins gibt — funktionierte dort, wo der Bereich der Selbstreferentialiät des Mediums nicht verlassen wurde. So in »Head and Shoulders« von Terry Dibble und Thomas Draught, wo der Witz für amerikanische Zuschauer bei Anspielungen auf Bob Hope oder Max Headroom zwar doppelt so gut gewesen sein mag, aber auch von unamerikanischen Zuschauern genossen werden konnte. Obszön wurden die Videos in dem Moment, wo sie — wie bei Lynn Hershman's »Shadows Song« — das Private zugleich narzißtisch und ausbeuterisch zum Zusammenbrechen brachten: Die weiße Filmemacherin hat Krebs; ihr schwarzer Freund hat Krebs. Im elektronischen Tagebuch stellt sich die Filmemacherin vor die Kamera und redet über den Tod — der Tumor fühle sich an wie ein mißgebildetes Kind, daß abgetrieben werden müsse, soviel sei noch zu machen usw. Ihr Freund redet auch, mit der Kamera; der Tod sei dreckig oder Illusion, er fühle, wie das Leben seinen Körper verlasse. Während sich bei ihr herausstellt, daß sich die Ärzte getäuscht haben, stirbt ihr Freund zusehends, er hat Schwierigkeiten, sich in seiner Rede noch zu konzentrieren, der Kopf schwitzt und am Ende singt er im Rollstuhl mit brüchiger, vielleicht glücklicher Stimme sein letztes Lied. Das Medium ist zugleich Abwehrritual und im nächsten Film stehen »An I for an eye«, »Simulation for Stimulation« und ähnlich griffige Slogans für den (männlichen) Wunsch, den Bildschirm zu penetrieren.

Mit Bildern spielen selbstvergessen amerikanische Videos von gesampelten, vervielfältigten, gefärbten, durch die Bluebox gejagten Atombombenxplosionen; Kriegsmaterialbilder, die durch den eingeführten Kopf einer Alpträumerin vielleicht politisch sein wollen, tatsächlich aber nur im koketten Mythos falscher Unmittelbarkeit verschmoren.

Namen sind auch im vermeintlich neugierig innovativen Milieu der Videofreunde Garantie für gesteigertes Interesse. Bei den Videos von Peter Greenaway war der Saal proppenvoll. In »Inside rooms — 26 bathrooms« waren 26 Badezimmer zu sehen, die sich nach dem Alphabet ordneten. »A for a bathroom«, »G for a good shave« oder »W for washing the dog«.

Die Kamera stellt den intimen Raum des privaten Lebens in die Öffentlichkeit. Der Zuschauer kuckt als Voyeur, bezaubert, amüsiert aber nie shockiert. Greenaways elegante Variation ist eine Abhandlung über das Badezimmer, über den Raum der Nacktheit, der Reinlichkeit, der Körper. Badezimmer sind nicht uniform sondern vielfältig: rohe Farben, blau, grün, rot oder nußhölzernes braun gegen reines Weiß, Mosaik gegen High-Tech. Die Badezimmer verlebendigen sich durch die Körper, die sich drin bewegen: weiße schwarze und gelbe Körper, Frauen, Männer, Erwachsene, Kinder. Die Körper tanzen in allen Positionen: stehend, liegend, sitzend; Wasser nimmt Form an oder widersetzt sich: Wassertropfen, -spritzer, Ausflußfluchten. Das Wasser trifft auf die Körper und sagt »Hallo«. Im Badezimmer wird gegessen, gelesen (»R for reading in a bathroom«), in der Badewanne verschwindet die Seife. Versöhnlich stimmen Wasser und Körper, bevor in »Dantes TV«,seinem zweiten Video, alles wieder in der Videobeliebigkeit verschwindet. Hank Trinh, Detlef Kuhlbrodt

Videofest-Sondervorführung »Bilder aus dem Irak«, Jon Alpert, USA, 1991, heute 16.00 Uhr in der Akademie der Künste, Robert- Koch-Platz7, Berlin-Mitte. Weitere Vorführungen siehe Programmteil

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