Tarik Asis bei Michail Gorbatschow: Moskau: Letzter Versuch
■ Michail Gorbatschow hat dem irakischen Außenminister Tarik Asis einen „konkreten“ Friedensplan unterbreitet. Bush nicht eingeweiht. Kann Bodenkrieg abgewendet werden?
Nun setzt Tarik Asis den diplomatischen Pendelverkehr zwischen Bagdad und Moskau persönlich fort. Nachdem Gorbatschows Sonderbeauftragter Jewgenij Primakow letzte Woche auf seiner Mission in Bagdad einen leisen Hoffnungsschimmer auszumachen glaubte, flog am Montag nachmittag der irakische Außenminister Asis mit einem Vierpunkte- Friedensplan nach Bagdad. In den nächsten Tagen wird er mit einer Stellungnahme der irakischen Führung in Moskau zurückerwartet.
Mit seinem Friedensplan verfolgt Präsident Gorbatschow zweierlei. Einerseits ist er ein letzter verzweifelter Versuch, den blutigen Bodenkrieg zu vermeiden. Andererseits hievt er damit seine ins Abseits geratene Sowjetunion über Nacht wieder aufs internationale Parkett. Präsident Bush und die Alliierten seien von dem Inhalt des Planes vorab nicht informiert worden. Auch der Irak hätte keine Kenntnis von Gorbatschows neuem Vorstoß gehabt, meinte der Sprecher des Präsidenten, Witalij Ignatenko. Während Bush noch im Laufe des gestrigen Tages gebrieft werden sollte, hätte es vorher allerdings einen konstruktiven Austausch mit Kanzler Kohl gegeben.
Nach den ersten Gesprächen zwischen Asis, dem sowjetischen Außenminister Alexander Bessmertnych und dem Mittelost-Experten Jewgenij Primakow sollen die beiden sowjetischen Unterhändler mit finsterer Miene das Gästehaus des Außenministeriums verlassen haben.
Das sowjetische Außenministerium, das durch Vermittlungsbemühungen auch hofft, sich aus der Schußlinie der eigenen Militärs davonstehlen zu können, bekräftigte nochmals am Wochenende, es werde seine bisherige Politik nicht ändern. Die angekündigte Bereitschaft, Kuwait zu verlassen, so das Außenministerium, könnte durch die vom Irak damit verknüpften Bedingungen bedeutungslos werden. Moskau werde während des Gesprächs mit Asis auf akzeptablere Verhandlungsbedingungen drängen. In diesem Sinne unterstrich Gorbatschow gegenüber drei Außenministern der EG, die Sowjetunion wolle auf dem Abzug der Irakis bestehen.
Auch wenn sich die UdSSR in den letzten Wochen vornehmlich aus innenpolitischen Erwägungen kritisch gegenüber der Kriegspolitik der Alliierten geäußert hat, lassen die offiziellen Signale an Bagdad noch keine Zweifel an der Haltung des Kreml zu. Abdulmochsin Al Duaij, der kuwaitische Botschafter in Moskau, sprach von keinen spürbaren Veränderungen. Die Sowjets wollten einen Abzug, „sie sind wütend, daß der Irak nicht hört“. Das gestrige Gespräch, so Gorbatschow-Sprecher Ignatenko, sei in „sehr konstruktiver“ Atmosphäre verlaufen. Den Inhalt des sowjetischen Friedensplanes umschiffte er mit den Worten: „Dies ist eine politische Lösung des Konfliktes am Golf, und es würde schwierig sein zu behaupten, sie sei nicht akzeptabel.“ Und um das gegenseitige Einvernehmen noch zu unterstreichen, wies Ignatenko darauf hin, Asis hätte auch in Moskau bleiben können. Nur seien die Kommunikationswege mit dem Irak nicht störungsfrei.
Mit dieser Initiative hat der angeschlagene Gorbatschow zumindest einen Teilerfolg errungen. Die Kritiker im eigenen Haus müssen erst einmal Ruhe geben. Die Gralshüter im ZK der KPdSU und die Militärs, die in der letzten Zeit eindeutige Sympathiekundgebungen für Saddam Hussein abgehalten haben, hätten im Fall einer irakischen Ablehnung des Planes wieder nach neuen Argumenten zu suchen.
Erleichterung hat Gorbatschow damit den Beamten seines Außenministeriums verschafft, die ebenfalls zunehmend in das Kreuzfeuer der Kritik geraten waren. Als Verzichtspolitiker in Osteuropa gerierten sie sich nun als Handlanger der Amerikaner und hülfen ihnen bei der Verwirklichung eines Brückenkopfes am Golf. Entscheidend dürfte aber sein, daß für den Moment die sowjetische Angst gebannt ist, in der Nahostregion kein Wörtchen mehr mitreden zu können. Für Gorbatschow, der händeringend nach einem Erfolg sucht, ist es wichtig, sich ein wenig vom Schlepptau der amerikanischen Golfpolitik abgenabelt zu haben. Dadurch verschafft er sich selbst bei Scheitern der Initiative innenpolitisch etwas Luft. Klaus-Helga Donath, Moskau
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