: Hasta la victoria siempre!
Der BSC Preussen Berlin erreichte durch ein 7:2 im dritten Play-off-Spiel gegen den Mannheimer ERC das Halbfinale der Deutschen Eishockeymeisterschaft/ Düsseldorfer EG ebenfalls weiter ■ Aus Berlin Matti Lieske
An Hermann Windler, dem Präsidenten des Berliner Eishockeyclubs BSC Preussen, hätte Ernesto „Che“ Guevara seine helle Freude gehabt. Handelt es sich doch bei Windler um einen wahren Bruder im Geiste des argentinischen Hyper-Guerilleros, einen beherzten Kämpfer gegen die Theorie der materiellen Anreize, die Che im Verlauf der kubanischen Revolution entschieden in Grund und Boden verdammt hatte — vergeblich, was ihn schließlich außer Landes und vor die Flinte des bolivianischen Diktators Barrientos trieb. Ein Schicksal, wie wir es Hermann Windler allerdings nicht wünschen möchten.
„Meisterschaftsprämie?“ fragte dieser ganz entsetzt, nachdem die Preussen durch ein 7:2 gegen den Mannheimer ERC das Halbfinale der Deutschen Eishockey-Meisterschaft erreicht hatten. „Gibt es bei uns nicht. Die Spieler verdienen genug.“
Diese ahnten derweil noch nichts von der präsidentiellen Brieftaschenanalyse, sie tobten ausgelassen und mit riesigen grünen Sonnenbrillen ausgestattet über das Eis — für Berliner Verhältnisse geradezu ein karnevalistischer Exzeß — unter dem frenetischen Jubel ihrer Fans, von denen jene Gänsehaut, die ihnen das Match fünfzig Minuten lang beschert hatte, längst abgefallen war. „Wir haben vor drei Monaten eine Reise angefangen“, freute sich Coach Craig Sarner, „der erste Teil ist abgeschlossen.“
In Wirklichkeit dauert die Reise schon viel länger. Seit der ruhmreiche „Berliner Schlittschuhclub“ — in den Jahren 1912 bis 1937 siebzehnmal Deutscher Meister, dasselbe noch mal in der Bundesliga 1974 und 1976 — im Jahre 1982 den finanziellen Bach hinuntertrudelte, bemühte sich der aus der Konkursmasse hervorgegangene BSC Preussen, in die Fußstapfen des alten BSC zu treten. Lange Zeit erschienen diese eindeutig zu groß. Aus den Sümpfen der Oberliga ging es mit Hindernissen in die Niederungen der zweiten Bundesliga, nach mehrmaligem Scheitern dann schließlich doch in die höchste Klasse.
Aber erst als die Club-Oberen auf die Idee kamen, daß die Zukunft möglicherweise in der Vergangenheit liege, ging es endgültig aufwärts. Der Schwede Olle Öst, einst Schlittschuhclub-Trainer, wurde als Coach verpflichtet, und Stefan Metz, 1974/76 Spieler beim meisterlichen Schlittschuhclub, zum Manager ernannt. Als Öst, mit dem die Preussen zweimal im Viertelfinal-Play-off ausschieden, nach Mannheim ging, kam es zu einem kurzen Mißgriff mit dem Schweden Dan Hober, dann besann sich der Club wieder auf die BSC-Kontinuität und kürte vor besagten drei Monaten Ex-Schlittschuhclub-Stürmer Craig Sarner zum Trainer.
Sarner schaffte es, aus der etwas zerfahrenen Truppe ein glänzendes Eishockeyteam zu formen, reicht das Lob aber artig an Manager Metz weiter. „Stefan hat viele Augen“, verriet er geheimnisvoll, „doch er hat ein verdammt gutes Auge, wenn es darum geht, Spieler auszusuchen.“
In den drei gewonnenen Play-off- Partien gegen Mannheim waren es vor allem Dave Silk und Gaetan „Gates“ Malo, die zu entscheidenden Figuren wurden. Malo hatte am Sonntag im „sudden death“ von Mannheim das hochwertvolle 3:2 erzielt, und auch am Dienstag war er zur Stelle, als es im letzten Drittel ziemlich brenzlig wurde für die nervlich zerrütteten Preussen. Sein 4:2 in der 51. Minute war die Entscheidung, von da an befand sich der Mannheimer ERC im Urlaub. Die restlichen Treffer zum 7:2 waren pure Formsache.
„Über Mannheim fahren wir nach Köln“, jubilierten die 6.000 Zuschauer, für die ein Viertelfinalerfolg der „Haie“ über Hedos München außer Frage steht; auf den beiden Trainerbänken wurde sogar noch weitergedacht. „Ich bin nicht überrascht, wenn Preussen ins Finale kommt“, sagte Olle Öst, der sich nach lieber Gewohnheit im Viertelfinale verabschiedete und auf das nächste Jahr hofft, wenn die Neuzugänge aus Frankfurt, Jiri Lala und Jaroslav Mucha, seine Mannheimer an die Spitze hieven sollen. Craig Sarner schlug in dieselbe Kerbe, wobei er sich wortwahlmäßig aus dem rhetorischen Mülleimer des obersten Kriegsherren seines Heimatlandes bediente: „Ich bin verdammt überzeugt, daß wir ins Finale kommen.“
Selbst wenn es zum Meistertitel nicht reichen sollte, kann Craig Sarner diese letzte Etappe der langen Reise vermutlich in der nächsten Saison in Angriff nehmen. Seine Vertragsverlängerung hatte der Preussen-Präsident ungeniert an eine Halbfinalteilnahme geknüpft.
Mit „materiellen Anreizen“ für eine weitere Tätigkeit des Amerikaners beim BSC Preussen ist allerdings, wie sollte es anders sein, nicht zu rechnen. „Pokern geht bei uns nicht“, schiebt „Che“ Windler solch Begehren gleich einen Riegel vor. „Sein Vertrag wird auch nicht anders aussehen, wenn er mit der Mannschaft Meister wird.“ Hasta la victoria siempre!
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