: Nur das Ausland kann noch helfen
■ Italiens Justizminister berief die beiden erfolgreichsten Mafiajäger ab
Vor einem halben Jahr wurde an dieser Stelle die Suspendierung der Mitgliedschaft Italiens in der EG gefordert, bis im Süden wieder Rechtsstaatlichkeit und in der Verfassung garantierte Grundrechte durchgesetzt sind. Vorangegangen waren neben den alljährlichen 1.500 Mafia- und Camorramorden tödliche Attentate auf mehr als einem Dutzend Kandidaten bei Kommunalwahlen, Freisprüche in allen Prozessen gegen Rechtsterroristen, das Eingeständnis von Innenminister Gava, daß ein Drittel des Territoriums nicht vom Staat, sondern von kriminellen Banden kontrolliert wird, die Erklärung von Nationalbankchef Ciampi, wonach die Mafia über ihre Spekulation mit Wertpapieren heute den größten Gläubiger des Staates und der Wirtschaft darstellt. Vorangegangen war dem taz-Kommentar auch ein Ausspruch von Ministerpräsident Andreotti nach dem Mord an einem Gerichtspräsidenten: Er könne doch nicht „jedesmal eine Regierungserklärung abgeben, wenn ein Richter umgebracht wird“.
Die Forderung nach der Suspendierung der EG- Mitgliedschaft erschien seinerzeit vielen deutschen Lesern überzogen bis verrückt. In Italien jedoch bitten mittlerweile immer mehr Politiker und Gruppen wie die „Frauen gegen die Mafia“ oder die „Vereinigung der Opfer von terroristischen und mafiosen Anschlägen“ darum, daß das Ausland Druck in dieser Hinsicht macht.
Die Abberufung der letzten beiden Hoffnungsträger des Antimafia-Kampfes, der beiden Staatsanwälte Falcone und Ayala, zeitgleich mit der Freilassung von mehr als drei Dutzend in zwei Instanzen bereits zu hohen bis lebenslänglichen Strafen verurteilter Mafiosi, zeigt erneut, daß italienische Entscheidungsträger — wie der gerade amtierende sozialistische Justizminister und Stellvertreter Andreottis, Claudio Martelli — das Schweigen der anderen EG-Staaten als Freibrief für weitere Kumpanei mit den Untergrundbanden ansehen.
Einflußmöglichkeiten des Auslands gäbe es genug. In einem Beitrag in der 'Frankfurter Allgemeinen‘ hat z.B. SPD-Präside Peter Glotz die Erkenntnis bekräftigt, daß sich die Sozialisten tief mit den Mafiosi eingelassen haben. Die Frage ist, warum er dann nicht über die Sozialistische Internationale die italienischen Kollegen öffentlich und eindeutig zur Ordnung ruft.
Italiens Notenbank hat festgestellt, daß die Clans durch ihren Wertpapierbesitz heute bereits jedes Börsengewitter inszenieren und so auch Regierungen stürzen könnten. Das Kolumbien der Drogenkartelle ist längst nicht so weit entfernt, wie wir glauben. Spätestens 1993 kann nichts mehr Mafia- Investitionen, wie in Italien längst auf der Tagesordung, auch in den anderen EG-Ländern verhindern. Es ist allerhöchste Zeit, daß wir etwas dagegen tun. Werner Raith, Rom
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