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Die Sache mit der Wirklichkeit

■ Ein Plauderstündchen mit Udo Lindenberg

Zwecks Präsentation einer neuen »Scheibe« hatte Udo Lindenberg am Freitag in den 13. Stock des Nobelhotels »Intercontinental« geladen. Wie den Filmregisseuren, die sich bei Filmgesprächen als Teil ihres Films präsentieren, scheint es auch Udo immer noch ein Herzensanliegen zu sein, sich in Anführungszeichen als Selbstzitat vorzuführen. Udo ist der »Udo« seiner Lieder. Und während im Erdgeschoß Allianzvertreter als Allianzvertreter bei ihrer Allianzvertreterversammlung in dunkelblauen oder schwarzen Konfirmationsanzügen durcheinanderschwirrten, kam »Udo« mit Udohut und Udoklamotten, berichtete im Udoakzent davon, daß es das »Mädchen aus Ost-Berlin« tatsächlich gegeben hätte, und seine Songs sowieso bekanntlich »das Leben, wie es ist« schilderten für Leute, die ganz unentfremdet so leben wie sie sind.

Als er kurz davor war, zu gestehen, daß er gerne vor dem TV onanieren würde, (darum geht's in einem der Songs seiner neuen LP), wechselte er dann aber doch lieber zu geheimnisvollen Berichten über neue Projekte, nicht ohne noch einmal darauf hinzuweisen, daß »Onanieren« zwar nicht schlecht, aber »Bumsen« doch besser sei. Den zahlreich erschienenen JournalistInnen, die zum großen Teil auf ihre Exclusivinterviews danach warteten und deshalb wohl etwas still waren, kündigte er an, daß im Sommer beispielsweise eine »Mitmachtour« oder -»revue« anstehe — es ginge um Wasser. Mehr dürfe er noch nicht sagen.

Er berichtete, daß er wieder mehr auf laute Gitarren setze, daß zur Multikultur, der er verpflichtet sei, auch die Pflege der eigenen kulturellen Identität gehöre (gegen die »Babykost« der Amerikaner) und daß es im Rockpopbusiness keine Revolutionen mehr geben könne, weil man sich auf den »römisch-katholischen Dreiklang« geeinigt habe. Zudem beschimpfte er hamburgerischschnoddrig die katholische Kirche, wegen Aids und weil der Papst nicht zum Golf gefahren sei und sich überhaupt viel zu spät gegen den Krieg zu Wort gemeldet habe, und bedauerte sehr, daß er wegen anderweitiger Verpflichtungen leider nicht bei der Bonner Anti-Kriegsdemo hätte dabei sein können. Er sei natürlich gegen den Krieg, jedes Opfer sei ein Opfer zuviel: »Die vielen Menschen, die da sterben, die Kinder...«

Die Zustimmung der JournalistInnen war ihm sicher, und als der 44jährige »Detektiv« die Geheimdienste dafür kritisierte, daß sie unfähig gewesen seien, all die Diktatoren und ihre ABC-Waffen wegzumachen, war ihm der Beifall gewiß.

Als keine Fragen mehr kamen, nahm »Udo« das Heft in die Hand und erkundigte sich, wie's denn wirklich sei in der Wirklichkeit der ehemaligen DDR oder »wie ihr jetzt so sagt«. Detlef Kuhlbrodt

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