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Studenten streiten um Israel-Reise

■ Viele Anfeindungen gegen Teilnehmer einer Israel-Solidaritätsreise von FHSS-Studenten

Schöneberg. Heftige Auseinandersetzungen mit antisemitischen Tendenzen prägten die Diskussion an der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (FHSS) im Vorfeld einer Solidaritätsreise nach Israel. Der Initiator dieser Fahrt, der Lehrbeauftragte Eberhard Schwarz, mußte sich sowohl von Kollegen als auch von Studierenden anhören, daß eine Reise nach Israel während des Golfkrieges einer Werbeaktion oder gar einer Abenteuer-Tour à la »Camel Trophy« gleichkomme. Begriffe wie »Betroffenheitsritual« oder »Opportunistischer Polit-Tourismus« seien den Kritkern flüssig über die Lippen gegangen.

Das berichteten FHSS-Studenten, die jetzt von ihrer Reise aus Israel zurückgekehrt sind, gestern vor der Presse. Auch für sie war ein bedrückendes Erlebnis, daß sie ihren Besuch in dem militärisch bedrohten Land vor Kommilitonen erst rechtfertigen und später verteidigen mußten.

Noch viel schärfer, war am Rande der Pressekonferenz zu erfahren, sei die Reaktion der Studenten der FHSS gewesen. Eine ganze Veranstaltung zum Golfkrieg sei vor Reisebeginn umfunktioniert worden zu einer Veranstaltung »Wie verhindern wir diese Fahrt«. Statt Mitgefühl mit den bedrohten Menschen in Israel sei ihnen die Solidarität mit dem Kriegstreiber Bush unterstellt worden. Ein schlimmes Erlebnis, erzählten einige Studenten, sei es auch gewesen, daß bei diesem öffentlichen Tribunal nicht ein einziger sich Sorgen um die persönliche Sicherheit der Reisenden gemacht hätte. Das sei ein Indiz dafür, meinten die Israelfahrer, daß die Studenten sich auch keinerlei Vorstellungen über die ständige existenzielle Bedrohung in Israel machen würden. Deutlich im Gegensatz dazu seien die privaten Reaktionen gewesen. Zynisch sei einer gefragt worden, ob er denn »Lust hätte, sich entsorgen zu lassen«.

»Es war gut, daß wir die Reise gerade zu dieser Zeit gemacht haben«, trotz der Debatte in der FHSS und trotz der antideutschen Irritationen in Israel, erzählten die Studenten gestern bei einer Pressekonferenz. Die Studenten, darunter nur zwei Frauen, und die zwei Studienbetreuer waren seit Beginn des Golfkrieges die erste deutsche Besuchergruppe in Israel, die nicht aus Politikern oder Geschäftsleuten bestand. Fünf Tage haben sie sich in Jerusalem und Tel Aviv aufgehalten, haben mit Studenten und Sozialarbeitern gesprochen, mit konservativen Professoren und linken Aktivisten der isralischen Friedensbewegung »Peace Now«. Sie haben genau wie ihre Gastgeber bei Raketenalarm mit übergestülpten Gasmasken in abgedichteten Räumen gesessen und haben genau wie sie das Gefühl einer »unendlichen Hilflosigkeit« erfahren. Diese Erlebnisse, sagte Sigrid Salzwedel, haben dazu geführt, daß sie genau wie ihre israelischen Gesprächspartner nicht mehr davon überzeugt ist, daß der Frieden umsonst zu bekommen ist, daß ein Nachgeben gegenüber der irakischen Bedrohung Israel in immer neue Unsicherheiten stürzen würde.

Sigrid Salzwedel, die sich in Berlin an Anti-Golfkriegsdemonstrationen beteiligt hatte und die hier gute Kontakte zu palästinensichen Studenten pflegt, muß jetzt »umdenken«. »Ich bin für den Frieden«, sagt sie, aber »um jeden Preis« kann er nicht sein. Und weil dies im Widerspruch zu dem steht, was sie vor ihrer Reise dachte, hat sie jetzt »Bauchschmerzen« mit ihren bisherigen Positionen und ihren (bisherigen?) politischen Freunden und Freundinnen. Anita Kugler

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