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Müller vor — Archiv zurück

■ Der Präsident der Akademie der Künste (Ost) widerspricht Walter Jens

Irgendwie haut es doch nicht hin mit der netten Berliner Eintracht zwischen dem Präsidenten der Akademie der Künste (Ost), Heiner Müller, und seinem Kollegen (West), Walter Jens. Aber eben auch nur irgendwie nicht. Am Dienstag sprach Heiner Müller jedenfalls zurück. So einfach sei das alles nicht, was Walter Jens da am Freitag zur Zukunft der Archive der beiden Akademien verkündet habe. Dieser wollte nunmehr eine sofortige Zusammenlegung der Sammlungen, auf daß deren Objekte für Berlin unter allen Umständen erhalten blieben (taz vom 23. und 25. 2.). Das will auch Heiner Müller. Ferner findet Jens — entsprechend den Koalitionsvereinbarungen —, daß es demnächst in Berlin nur noch eine Institution geben könne, die »Akademie der Künste« heißt, nämlich die am Hanseatenweg. Das findet auch Heiner Müller. Deshalb will er seine Akademie auflösen zugunsten einer »Europäischen Künstlersozietät«, die, so betonte er auch am Dienstag wieder, eben keine Weiterführung der alten Akademie sein sollte. So weit so schlecht.

Wäre da nicht dieses merkwürdige Angebot aus Bonn, das Müller am Dienstag vorstellte. Das Bundesinnenministerium will nämlich auf einmal 800.000 DM für die Archive lockermachen. Allerdings nur wenn diese, nachdem sie zusammengelegt worden sind, selbständig, z.B. in einer Stiftung, weitergeführt und also auch aus der Akademie der Künste (West) herausgelöst werden. Müßte sich nur noch jemand finden, so will es jedenfalls der Innenminister, der weitere 800.000 DM zuschießt, so daß schließlich 1, 6 Millionen zur Verfügung stehen. Woher die plötzliche und wohl einzigartige Großzügigkeit des Innenministers kommt, kann sich allerdings auch Heiner Müller nicht erklären. Er will jedenfalls das merkwürdige Angebot »prüfen«, wenn nicht gar »favorisieren« — schließlich sei es bisher das einzige. Und was er dagegen hätte, wenn das Gesamtarchiv nicht selbständig würde, sondern bei der Westakademie läge, wußte er auch nicht zu sagen — außer daß in einem Vertragsentwurf das freilich unschöne Wort »Übertragung« stand. Andererseits sei es Müller egal wie das Archiv fortbesteht, Hauptsache es gäbe finanzielle Garantien auch für Mitarbeiterstellen bzw. für einen Sozialplan.

Im übrigen herrsche zur Zeit allenthalben wieder Krieg an der Ost-West-Kulturfront. Doch auch dieser tobt im vorliegenden Akademie-Fall nur irgendwie. Denn wer hier der Feind ist und wo er steht, hat Heiner Müller leider auch nicht verraten. Gabriele Riedle

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