: Keiner fordert Bush
■ In Iowa finden die ersten Präsidentschaftsvorwahlen statt/ Noch kein Konkurrent für den KriegsheldenNr.1
Des Moines, Iowa (taz) — Niemand, aber wirklich niemand, schaut in diesen Tagen nach Iowa. Nicht, daß dieser Bundesstaat im tiefsten Mittelwesten sonst der politische und kulturelle Nabel Amerikas wäre. Doch gäbe es da nicht diesen Krieg am Golf, dann vollführten jetzt in Iowa die zukünftigen Präsidentschaftsbewerber schon ihre ersten Gehversuche für das Rennen von 1992.
„Knapp zwei Jahre vor den letzten Wahlen“, weiß David Yepsen, politischer Chefkorrespondent des 'Des Moines Register‘, zu berichten, hatten damals alle 13 Kandidaten bereits ihre Büros und Wahlkampfstäbe in Iowa plaziert, um sich auf dem als erste Vorwahl zählenden „Caucus“ in diesem Bundesstaat vorzubereiten. Wer sich bei dieser Vorabstimmung im Januar des jeweiligen Wahljahres unter den 2,7 Mio. Bürgern Iowas einen Namen machen kann, dem ist, wie Jimmy Carter 1976, die Aufmerksamkeit der Medien in den anschließenden „Primaries“ sicher.
Doch diesmal ist alles ganz anders. Wegen der Unwägbarkeiten des Golfkrieges hat sich bisher noch kein einziger Kandidat zur Herausforderung des derzeit unverschämt populären George Bush entschlossen. Vor allem die Demokraten scheinen in ihrer Wahlkampfstrategie dem Vorbild der irakischen Truppen zu folgen. Schon vor Beginn des Luftkriegs hatten sie sich politisch eingegraben und seitdem nicht mehr gerührt. Nach dem so erfolgreichen Bodenkrieg denken einige jetzt sogar über ihre frühzeitige Kapitulation nach. „Vielleicht“, spekuliert David Yepsen halb im Scherz, „gibt es im Herbst 1992 ja überhaupt keinen Präsidentschaftswahlkampf mehr.“
Dabei hatte man hier in Iowa alles unternommen, um diesen Krieg noch zu verhindern. Wochenlang schrieb der 'Des Moines Register‘ gegen dieses unnötige Abenteuer an, soweit dies einem Glied in der Zeitungskette der „Gannett Corporation“ überhaupt möglich war. Der liberale Senator Tom Harkin war bis Mitte Januar einer der überzeugendsten Fürsprecher für die Sanktionspolitik. Und sein Kollege Charles Grassley stimmte bei dem Votum über den Einsatz militärischer Macht am Golf gar als einer der wenigen Republikaner gegen seinen Präsidenten: „Man hat mir im Kalten Krieg nie vorwerfen können, ein Pazifist zu sein. Aber ich bin nicht bereit, jetzt auch noch zum Krieger für eine neue Weltordnung zu werden“, so der konservative Senator am 12. Januar in der Kongreßdebatte. Dieser Isolationismus, erklärt David Yepsen unter der goldenen Kuppel des State Capitols von Des Moines dem Besucher, habe in Iowa Tradition. Im August 1941 stimmte die gesamte Abgeordneten-Delegation aus Iowa im Kongreß gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und hätte damit beinahe den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg verhindert. Doch damals wie heute blieben die Vertreter Iowas in der Minderheit.
Der Golfkrieg, so sagt David Yepsen voraus, werde die Politik in den USA grundlegend verändern. „Überall werden die Leute wieder Flagge zeigen und ihren Truppen einen triumphalen Empfang bereiten.“ Das nach Vietnam vielgeschmähte Militär werde durch den Blitzkrieg am Golf wieder an Popularität gewinnen und nach mehr Waffen verlangen können. Es werde „die große außenpolitische Versuchung geben, uns bei jedem Buschfeuer in der Welt wieder einzumischen“, befürchtet Yepsen. Und innenpolitisch wird Bush im Herbst 1992 kaum zu schlagen sein. Schon jetzt zeigt die Zurückhaltung demokratischer Präsidentschaftsbewerber in Iowa, daß die Jüngeren unter ihnen lieber bis 1996 warten werden, als sich 1992 in einem aussichtslosen Rennen gegen den Oberbefehlshaber der siegreichen Golfstreitmacht verschleißen zu lassen.
An eine so einseitige Präsidentschaftswahl wie die bevorstehende, da braucht David Yepsen nicht lange zu überlegen, kann er sich jedenfalls nicht erinnern. Am nächsten komme dem noch die Situation im Jahre 1944, als die bereits siegesgewissen Amerikaner den Roosevelt für eine vierte Amtszeit wiederwählten.
Nach dem Golfkrieg scheint sich endgültig der provokante Ausspruch Gore Vidals zu bewahrheiten, daß es in den USA nur noch eine Partei mit zwei Flügeln gibt. Dabei ist noch unklar, ob es diesen Parteiflügeln bis 1992 gelingen wird, wenigstens zwei ernsthaft konkurrierende Bewerber für die Wahlen um das Präsidentenamt aufzustellen. Rolf Paasch
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