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Chaotische Verhältnisse in Basra

■ Im Süden Iraks ist es nach unbestätigten Berichten zu Protesten gegen Saddam gekommen

Drei Tage nach Beginn der Feuerpause am Golf herrschen in der südirakischen Stadt Basra chaotische Verhältnisse. Berichte über Proteste gegen Saddam Hussein konnten zunächst nicht bestätigt werden. Unklar ist, ob die Gerüchte und Spekulationen der letzten Tage über Demonstrationen oder Asylersuchen des irakischen Diktators ein Körnchen Wahrheit enthalten oder ob sie Teil einer psychologischen Kriegsführung sind, um die Bevölkerung des geschlagenen Landes zum Sturz des Baath-Regimes zu ermutigen.

Berichte von irakischen Augenzeugen und Aufnahmen der US- Luftaufklärung besagen übereinstimmend, daß die öffentliche Ordnung in der zweitgrößten Stadt des Landes, die während des Krieges massiv bombardiert wurde, zusammengebrochen ist. Die alte Hafenstadt ist Sammelpunkt von mehreren tausend irakischen Soldaten, die nach Auflösung ihrer Divisionen in Kuwait offenbar nur ein Ziel haben: sich nach Norden abzusetzen. Den Angaben zufolge waren das Zentrum Basras und die Hauptverkehrsadern am Wochenende von Menschenmassen, Panzern und verlassenen Militärfahrzeugen völlig verstopft.

Ein kuwaitischer Student, der aus Basra kam, berichtete, die Bevölkerung riefe Slogans gegen Saddam. Am Freitag habe ein irakischer Panzer vier Granaten gegen ein großes Portrait des Dikators abgefeuert. Die Leute auf den Straßen hätten daraufhin gerufen: „Saddam ist erledigt.“ Die anwesenden Militärs hätten nicht darauf reagiert. Die Soldaten würden ihre Uniformen ausziehen und ihre Waffen wegwerfen. Auch die Mitglieder der herrschenden Baath- Partei ließen sich nicht mehr blicken.

In einem Bericht der französischen Nachrichtenagentur afp hieß es, in Basra seien auch Gefängnisse gestürmt und die Insassen befreit worden. Einige Meldungen sprachen demgegenüber von Auseinandersetzungen zwischen irakischen Soldaten und Ägyptern, deren Regierung auf Seiten der Verbündeten steht. Ägyptische Arbeitsimmigranten seien drangsaliert und einige dabei getötet worden, hieß es. Andere Augenzeugen sprachen von weiteren Demonstrationen in Subair, Samawa und Nassirija. Informationen der irakischen Opposition, nach denen es auch in Bagdad zu Demonstrationen gegen Saddam gekommen sei, sind bisher nicht bestätigt. Dagegen soll es nach Angaben der oppositionellen Kurdischen Demokratischen Partei in London in den kurdischen Gebieten im Nordosten des Irak zu Widerstandshandlungen gekommen sein: Das Hauptquartier der Baath-Partei sei mit Granaten beschossen worden.

Der Pressesprecher des US-Oberkommandos, Neal, erklärte am Samstag, es gebe keine konkreten Hinweise über eine Rebellion oder Anti-Saddam-Demonstrationen. Auf die Frage, ob die USA durch Kontakte, Propaganda oder „psychologische Operationen“ die aus Basra berichteten Unruhen aktiv unterstützten, antwortete Neal: „Darüber möchte ich nicht sprechen.“

Die Spekulationen über die Zustände im Irak sparten am Wochenende auch den irakischen Staatschef nicht aus. Die algerische Regierung entzog dem Korrespondenten der französischen Zeitung 'Le Monde‘ einen Tag nach dessen Artikel über ein Asylgesuch Saddam Husseins die Akkreditierung. Zuvor hatte sie den Bericht dementiert.

Einem indischen Zeitungsartikel zufolge soll der irakische Staatschef auch in Neu Delhi um Asyl nachgefragt haben. Die Regierung habe dies jedoch abgelehnt, wie der britische 'Observer‘ schrieb. Meldungen schließlich, nach denen Saddam Hussein beim letzten Angriff auf Bagdad getötet worden sei, standen in Widerspruch zu einem Bericht von Radio Bagdad, nach denen der Staatschef am Samstag abend zwei Minister und den Vizestabschef getroffen hat. B.S.

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