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Comeback als laufender Ami-Schreck

■ Der Chemnitzer Weltmeister Thomas Schönlebe startet bei den Hallenweltmeisterschaften in Sevilla mit Karl-Marx-Städter Sportfreunden und guten Medaillenchancen in der Viertelmeilen-Staffel

Berlin (taz) — Thomas Schönlebe ist amtierender Weltmeister über 400 Meter. 1987 in Rom gelang ihm, was Carl Kaufmann vor 27 Jahren an gleicher Stätte um einen Wimpernschlag nicht vergönnt war: ein sensationeller Sieg über die favorisierten Amerikaner und die Goldmedaille. Im letzten Wettbewerb der Hallen-WM am Sonntag abend in Sevilla startet er mit Medaillenchancen in der 4x400-Meter-Staffel.

Eigentlich sollte die Hallensaison für ihn schon zu Ende sein, weil seine völlige Konzentration auf den Sommer ausgerichtet ist und „zuviele harte Hallenrennen, wie das vergangene Jahr deutlich zeigte, den Trainingsaufbau dafür stören“, so Schönlebe. Da nun aber die deutsche Staffel quasi eine Chemnitz-Karl- Marx-Städter Vereinsstaffel (mit Jens Carlowitz und Rico Lieder), also auch eine Ex-DDR-Staffel ist, fährt Schönlebe mit nach Spanien.

Der diesjährige Höhepunkt ist die Freiluft-WM Ende August in Japan: „In Tokio möchte ich wieder eine Medaille“, bestimmt der 25jährige Noch-Physikstudent („Ich glaube, ich werde demnächst die Branche wechseln.“) selbstbewußt sein Ziel. Die Voraussetzungen dafür stehen nicht schlecht. Die Hallensaison lief besser als erwartet. Am letzten Sonntag erreichte er in Sindelfingen, wo er drei Jahre zuvor Hallenweltrekord (45,05) lief, noch eine europäische Jahresbestleistung (45,46).

Thomas Schönlebe hat so etwas wie eine „amerikanische Karriere“ genossen. Mit 17 Jahren, also einem Alter, in dem in der Regel hoffnungsvolle Talente behutsam aufgebaut und von ihren Trainern unter Verschluß gehalten werden, begab sich der damalige Oberschüler bereits in die gnadenlose internationale Arena. Sein Debüt war ein Paukenschlag. Beim Länderkampf USA-DDR in Los Angeles rang er in der Juniorenweltrekordzeit von 45,25 die Amerikaner Tabron und Franks nieder. Zwei Monate später wurde er schon WM-Sechster in Helsinki. Neben dem WM-Titel 1987 gewann er den Europacup 1985 und wurde zweimal Vize-Europmameister (1986 und 90), jedesmal vom Briten Roger Black um Brustbreite besiegt.

Der 1,85 Meter große, schlanke Brillenträger will in diesem Jahr wieder die 45-Sekunden-Schallmauer knacken: „44,50 müßten in Tokio für eine Medaille reichen, die traue ich mir zu.“ Den Fabelweltrekord von Butch Reynolds (43,29) will Schönlebe in Zusammenhang mit der aktuellen Doping-Dikussion nicht bewerten. „Ich will mich an keinen Spekulationen beteiligen. Nur weiß ich ganz sicher, daß ich so eine Zeit nie schaffen werde“, meint der amtierende Europarekordhalter (44,33). Wie geht es weiter? Macht sich nach acht harten Wettkampfjahren über die kräfteraubende Stadionrunde nicht ein Substanzverlust bemerkbar? Schönlebe: „Natürlich gibt es den. Vor allem muskulär, so daß ich mich immer sorgfältiger regenerieren muß. Doch gleichzeitig verbessert sich auch die Einstellung aufgrund der gestiegenen Erfahrung und gleicht die körperlichen Defizite aus.“ Im „fortgeschrittenen“ Alter müsse man natürlich auch „von Jahr zu Jahr entscheiden, ob und wie es weitergeht“. Abwanderungsgedanken gen Westen hat Thomas Schönlebe nicht. Die Trainingsbedingungen sind unverändert bescheiden, doch ausreichend. Ihm geht es nicht vorrangig um materielle Dinge, wichtig ist vor allem eine „gute äußere Atmosphäre“, wobei Schönlebe die „Kameradschaft in der Trainingsgruppe“ in der neuen 400-Meter-Hochburg Chemnitz und die Qualitäten seines Trainers Dieter Dost besonders schätzt. Karl-Wilhelm Götte

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