: Pferde auf einer Chemnitzer Speisekarte
Die Aussichten für den über drei Generationen vererbten Familienbetrieb sind alles andere als rosig/ Seit etwa 20Jahren schwebt der geplante Bau einer Hochstraße in Chemnitz wie ein Damoklesschwert über der Gaststätte ■ Von Katrin Kleeberg
Chemnitz. Im Chemnitzer Stadtzentrum gibt es eine Gaststätte, in der seit Mitte der 50er Jahre ausschließlich Gerichte aus Pferdefleisch auf der Speisekarte stehen: die Roßschlächterei Franklin Hofmann. Mit diesem Angebot gilt die Pferdegaststätte im Freistaat Sachsen als einmalige Einrichtung. Doch die Aussichten des über drei Generationen vererbten Familienbetriebes sind alles andere als beruhigend. „Seit etwa 20 Jahren schwebt der geplante Bau einer Hochstraße in Chemnitz wie ein Damoklesschwert über unserem Unternehmen, was das Aus für Gaststätte und Schlächterei bedeuten würde. Die Gebäude müßten dem Straßenverlauf weichen und würden abgerissen“, malt der Betreiber Michael Hofmann die Zukunft seines Unternehmens aus. Um neue Gewerberäume müsse er sich schon selber kümmern, erfuhr Hofmann im Rathaus. Keiner der dortigen Beamten oder gar Chemnitzer Stadtväter konnten ihm bisher Auskünfte über einen etwaigen Abriß der Gebäude geben. Von diesen Ungewißheiten soll der Kunde nichts mitkriegen. Nach wie vor steht „Schmackhaftes vom Pferd“ zu niedrigen Preisen auf dem Speiseplan. Für zwischen drei und sechs DM gibts bei Franklin Hofmann ein „fettes Essen“. Wenn es nach dem Chef ginge, sollte das am liebsten auch so bleiben. Eine einfache Gaststätte mit besonderem Angebot zu sein, gehört eben zum guten Ruf des Unternehmens. Franklin Hofmann gründete 1865 die Roßschlächterei und den Pferdehandel. „Großvater kaufte und verkaufte Pferde aus Deutschland, Belgien, Holland“, erzählt Hofmann. Der Pferdehandel wurde Mitte der 50er Jahre vom Staat untersagt, das dafür genutzte Gelände zum „Trostpreis“ abgekauft. Seitdem gibt es den Gaststättenbetrieb, der die Chemnitzer Roßschlächterei einmalig macht.
Die Pferde kauft Hofmann von hiesigen Bauern zu Verhandlungspreisen und versucht, sich gegenüber den westdeutschen Viehhändlern zu behaupten. „Die Händler aus den alten Bundesländern bieten oft höhere Preise, aber was mit den gen Westen verkauften Pferden wird, weiß keiner. Deshalb verkaufen viele Bauern lieber an uns.“ Ob nun Pferdefleisch gerade jedermanns Geschmack ist, sei dahingestellt. Im Gegensatz zu manchem „Nobelrestaurant“ zumindest kann Inhaber Hofmann über Gästemangel in seinem Etablissement nicht klagen. Niedrige Preise locken die einen, der Reiz, „mal was Besonderes“ zu essen, die anderen. adn
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