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Nachdenken über Christa Wolf

■ „Zeitschleifen“, DFF-Länderkette, 22.35 Uhr

Ein Dialog mit Christa Wolf, das läßt aufhorchen. Ist sie doch eine der prominentesten und hochgeachtetsten Schriftstellerinnen im deutsch-deutschen Literaturzirkel, dabei zugleich der Kollaboration, der Opposition und des gräßlich Unpolitischen verdächtigt. Was dann allerdings der Zuschauer erfährt, hält man nicht mehr für möglich angesichts der allgegenwärtigen Aufarbeitung des DDR-Staates. Wir sehen sie als Schriftstellerin, die aus ihren Werken vorträgt und ihr Gefühl vermittelt. Wir erleben Frau Christa Wolf mit Mann und Kindern und dem Haus im Grünen, beim Pilzesuchen und mit Freunden auf der Gartenbank. Wir beobachten eine öffentliche Person Christa Wolf im Gespräch und freundschaftlichem Touching mit großen Oppositionellen und bei Reden im Herbst 1989 herab von einer Tribüne.

In diesem „Dialog“ ergibt sich das Porträt eines Privatissimums und des Kampfes um Gerechtigkeit; von Bildern gestützt, die dafür die Innenräume erschließen im gepflegten Ambiente eines Intellektuellenhaushalts im Grünen, deren Kameraperspektive den Zuschauer immer wieder zum Gesicht der Hauptperson, auch in Menschenmengen zurückführt. Wir erhalten keine Antwort darauf, wie eine Schriftstellerin der DDR das Problem der Mitverantwortung in diesem ihrem Staat, in dem sie bis zum bitteren Ende zu den Privilegierten und Verhätschelten gehörte.

Da erfahren wir von der „Trauer über die humanistischen Werte“, die sich so schnell als Illusion erwiesen, vom „Gerechtigkeitskern der sozialistischen Idee“, an dem sie festhalten möchte, von Verleumdungen, Hetzkampagnen und Verhinderungen — und nicht von den Hintergründen dieser Anwürfe, von den Bespitzelungen und Rausschmissen der Kollegen und den eigenen Kosequenzen daraus.

Die Antwort auf die einzige Frage, die in dieses Zentrum der Aufarbeitung der DDR-Wirklichkeit führen könnte — nach der „Verführbarkeit des Schriftstellers in totalitären Staaten“ — zeigt auch den Stand des Nachdenkens der Christa Wolf auf. „Das ist das Problem überall, das ist ein großes Thema“, heißt es da — und die Gesprächspartnerin schweigt dazu. Christa Wolf denkt nach, auch in diesem Film — und sie bekennt, noch fehlten ihr die Worte für das, was sie schon weiß.

Nun ja, das mag passieren, auch wenn es bereits in ihrem Buch über ihre eigene Bespitzelung, soeben erschienen, so war und auf die Dauer für eine Schriftstellerin tödlich sein kann. Schlimmer ist — weil auch Dokumentarfilme nun mal keine lebendige Wirklichkeit abbilden —, daß dieser Film einen bedrückenden Stand der Verarbeitung der DDR- Vergangenheit demonstriert. Dieser Film ist ein Produkt der Defa, der Filmfabrik Ostdeutschlands. Filme sagen mehr über ihre Autoren als über die lebendige Wirklichkeit selbst. Da mag verwundern, daß Christa Wolf keine Trauer über ihre eigene Rolle und Erschütterung empfindet — wenn es denn so ist und nicht nur dem Schnitt zum Opfer gefallen ist — die Verarbeitung des Lebens der Christa Wolf als Film verdrängt die jüngste Vergangenheit und ist so ein Zeitdokument nicht so sehr über das, was er uns über Christa Wolf mitteilt, sondern gerade in dem, was er verschweigt. Christa Wolf verlegt die Begründung ihres Verhaltens in ihre Kindheit; der Film sucht gar nicht erst nach ihr.

Ortrud Rubelt

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