: Thüringer Wahrzeichen außer Gefahr
Bürgerinitiative stoppte Pläne zum Hotelneubau/ Die Wachsenburg bei Arnstadt soll keine Burg für Besserverdienende werden/ Natur und Denkmalschutz siegte über »wirtschaftliche« Variante ■ Von Veit Voigt
Arnstadt/Wachsenburg (taz). Im 10. Jahrhundert als Schutzburg für die reichen Güter der Hersfelder Abtei erbaut, hat die Wachsenburg bei Arnstadt schon oft den Besitzer als auch den Verwendungszweck gewechselt. Sie wurde als Amtssitz, Gefängnis, Zucht- und Waisenhaus genutzt und ab 1852 gastronomisch bewirtschaftet. Im 19. und 20. Jahrhundert war die Burg ein beliebtes Ausflugsziel für breite Bevölkerungsschichten, bis in die 50er Jahre hinein. 1964 begann der Ausbau zum Hotel und später die Nutzung als sogenanntes Gästehaus der SED-Führung. So war es die letzten Jahre vor der Wende für die Einheimischen kaum noch nutzbar. Die Frage ist, ob sie nun bei den neuen Nutzungskonzepten wieder draußen bleiben werden. Vor einigen Tagen sorgte eine Unterschriftensammlung für Aufregung in der Öffentlichkeit. Im dazugehörigen Flugblatt hieß es: »Thüringer Wahrzeichen in Gefahr? Aktionskreis Wachsenburg informiert.« Die Unterzeichner forderten die Erhaltung der Wachsenburg als kulturelles Denkmal.
Bei den Bürgern entstand im Zuge der Aktion fälschlicherweise der Eindruck, daß die Burg an Privatleute verkauft würde. Richtig ist, daß ein Nutzungs- und Bewirtschaftungskonzept die Wachsenburg als kulturelles Denkmal gefährden könnte, der vom Eigentümer der Burg, der Landkreis Arnstadt, ausgeschrieben worden war. Die HO, die bis vor der Wende die Burg bewirtschaftete, befindet sich in Auflösung, verschiedene Bewerber aus den alten Bundesländern meldeten Interesse an, die Geschäfte zu übernehmen. Ein Anbieter aus Köln, der Investitionsfreude signalisierte, wurde letzlich favorisiert. Seitens des Investors bestand die Absicht, bei einem Zuspruch über den Halsgraben außerhalb der Ringmauer ein modernes 120-Betten-Hotel und außerdem noch einen Golfplatz zu bauen. Doch das alles wurde an den Bürgern vorbei arrangiert. Die Absichten des Investors sickerten durch und erregten Heimatfreunde, Denkmalpfleger und jene, die Sympathien für die alte Burg hegen. Es kam zu Bürgerprotesten quer durch die Parteien und Fraktionen.
Durch eine öffentliche Veranstaltung mit dem Landrat wurde eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit erreicht. Gefordert wurde von der Bürgerinitiative die Offenlegung der Pläne. Gegengutachten von Denkmal- und Landschaftsschützern wurden vorgestellt. Diese Aktivitäten führten dazu, daß sich die Abgeordneten bei der Kreisausschußsitzung am 27. Februar mehrheitlich gegen den Hotelbau entschieden. Die Mitglieder vom Kultur- und Heimatverein Arnstadt verweisen darauf, daß das gesamte Burgengebiet der Dreigleichen ein unberührtes Naturgebiet sei und geschützt werden müsse. So verweisen Botaniker auf seltene Pflanzenfunde. Streitpunkt war natürlich, wie durch Tourismus Arbeitsplätze geschaffen werden können. Entweder Bettenburgen und Golfplätze oder Wandertourismus.
Werden nun die selben Fehler wie im Westen gemacht, daß die Landschaft verbaut wird? Oder wird die alte Bausubstanz von Burg und Stadt restauriert und saniert? Zu befürchten ist, daß als Ergebnis eines Großprojekts nur eine Burg für Besserverdienende herauskommt. Zwischen Luxusherberge und Massentourismus muß ein Weg gefunden werden, der sowohl ökonomisch die Bevölkerung beteiligt und die Region einbindet als auch die Natur erhält. Veit Voigt
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