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INTERVIEW„Hooligans und Banditen“

■ Swiad Gamsachurdia, Präsident Georgiens, das dem Referendum von gestern fernblieb, über die Zustände in der Kaukasusrepublik

Seit den Wahlen zum Obersten Sowjet Georgiens im Oktober letzten Jahres ist Swiad Gamsachurdia Präsident der Kaukasusrepublik. Die Regierung wird von einer Koalition des Runden Tisches gebildet, zu dem sich acht verschiedene Parteien und Organisationen vor den Wahlen zusammengefunden hatten. Ein Teil der Opposition, die nach dem estnischen Vorbild als Gegeninstitution zum Parlament einen Nationalkongreß ins Leben gerufen hat, nahm an den Wahlen erst gar nicht teil. Gamsachurdia wird vorgeworfen, Opposition nicht zu dulden. Im Obersten Sowjet Georgiens wird die Opposition von der Volksfront unter ihrem gemäßigten Führer Notar Natadse und den Kommunisten gestellt. Obwohl die KP bei den Wahlen noch 30 Prozent einheimste, spielt sie politisch keine Rolle mehr. In der Souveränitätsfrage stimmt sie voll und ganz mit der Regierung überein.

taz: Georgien hält sein Referendum erst am 31. März ab. Die sowjetischen Militärbasen in Georgien werden aber am 17. März (gestern) hier an Ort und Stelle ihr eigenes durchführen. Wie gehen Sie damit um?

Swiad Gamsachurdia: Die Militärs treten als Okkupanten auf. Sie gehören nicht zu unserer Bevölkerung. 99 Prozent der Georgier sind gegen das Allunionsreferendum. Vielleicht gibt es unter den Abchasen, den Osseten und einem kleinen Teil der Armenier Befürworter, aber die übrigen wollen das Referendum nicht. Sie werden auch unter Druck gesetzt. Wir werden es nicht durchführen. Denn Georgien ist rechtmäßig nie der Union beigetreten, sondern mit Gewalt annektiert worden. Folglich hat es nichts mit der Union oder dem Referendum zu tun. Wie kann Sibirien darüber entscheiden, ob Litauen unabhängig wird? Das ist doch absurd. Keiner kann das billigen.

Als Präsident der Republik müssen Sie doch wenigstens Kontakte zu den Spezialtruppen, die in Ihrem Land stationiert sind, unterhalten?

Äußerst schlechte. Es ist ein Theater, was da vor sich geht. Der Kampf hier ist schlimmer als in Riga. Die Soldaten verkaufen chemische Waffen direkt an die Bevölkerung. Je mehr sie verkaufen, desto mehr können Banditen das ausnutzen. Es ist sehr gefährlich. Wir haben auch schon eine Menge verhaftet. Denn die Soldaten versorgen auch die Osseten mit Raketen, die sie gegen die georgische Bevölkerung einsetzen. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen damit aufhören. Doch sie machen weiter, — weil Moskau es so will. 120.000 von ihnen stehen im Land.

Haben Sie Beweise für die Waffenverkäufe der Sowjetarmee?

Moskau droht uns offen. Wenn wir den Unionsvertrag nicht unterschreiben und auch das Referendum nicht abhalten, dann wird der Krieg in Ossetien weitergehen und noch viel schlimmer werden.

Wer hat das gesagt?

Präsident Gorbatschow selbst hat es so gesagt, mir persönlich. Und in Abchasien ebenfalls, meinte er. Ausgerechnet am 25. Februar, dem Tag der sowjetischen Okkupation Georgiens 1921, hat er mich angerufen und gefragt: „Unterschreiben Sie den Unionsvertrag oder nicht?“ — „Nein. Das ist die Position unseres Volkes“, hab ich ihm geantwortet. „Nehmen Sie am Referendum teil?“ — „Nein.“ — „Dann werden Sie sehen, die Lage in Ossetien und Abchasien wird schlimmer werden.“ Das war alles. Wenn der Westen nicht endlich die Augen aufmacht und erkennt, daß es dieses Sowjetvolk nicht gibt, wird er wieder betrogen. Schon jetzt haben wir unter einer wirtschaftlichen Teilblockade zu leiden. Wir erwarten noch mehr. Doch das Volk ist auf alles vorbereitet.

Aber die Osseten lieben Moskau doch auch nicht gerade?

Doch, doch, die lieben es. Sie nehmen ja auch am Referendum teil. In Abchasien und Ossetien treten sie mit roten Flaggen und Lenin-Konterfeis auf und sagen frank und frei: Wir wollen in der Union bleiben und deshalb kämpfen wir gegen Georgien. Außerdem existiert dort auch schon ein nationales Rettungskomitee wie im Baltikum.

Aber warum suchen Sie nicht das Gespräch mit Ossetien? Warum wurde Torez Kolumbegow, der frisch gewählte Präsident Südossetiens, Ende Januar verhaftet?

Und warum sollen wir mit einem Nationalen Rettungskomitee das Gespräch suchen. Die Litauer verhandeln doch auch nicht mit der Interfront. Kolumbegow? Der sitzt im Gefängnis als Anführer der Terroristen und Organisator bewaffneter Banden. Ein gewöhnlicher Terrorist.

Die Verhaftung hat den Konflikt eher angeheizt. Hätten sich nicht auch andere Wege finden lassen?

Nein, er ist die rechte Hand Nischanows (Vorsitzender der Nationalitätenkammer des Obersten Sowjets der UdSSR) und Krjutschkows (KGB-Chef der UdSSR) die Ossetien Georgien entreißen wollen.

Ist das nicht etwas simpel? Man kann die Leute doch nicht einfach aushungern. Was soll mit Ossetien geschehen?

Solange der Kreml, Gorbatschow und Nischanow noch am Ruder sind, wird Blut fließen. Ohne Blut können sie nicht leben... Litauen, Aserbaidschan...

Wie stehen die einzelnen politischen Kräfte Georgiens dazu?

Die echten nationalen Kräfte sammeln sich um uns. Selbst die KP unterstützt uns in der Frage des Referendums. Aber es gibt einige Verräter, politische Hooligans, die gegen uns kämpfen.

Sie sagten einmal, ein Georgier, der nicht für die Unabhängigkeit eintrete, verdiene auch die georgische Staatsbürgerschaft nicht...

Nein, so habe ich das nicht gesagt. Wenn Bürger anderer Nationalität, Fremde nicht für die Unabhängigkeit stimmen wollen, sollen sie auch nicht Staatsbürger werden. Das ist doch ganz normal. Sie sind Feinde unserer Regierung.

Was wollen Sie eigentlich durch das Referendum am 31. März noch erreichen, wenn ohnehin 99 Prozent ihrer Landsleute dafür sind?

Es ist unumgänglich, weil die ganze Welt wissen soll, daß das georgische Volk seine Souveränität will. Außerdem ist das auch eine juristische Frage. Schon allein deswegen, damit die UdSSR uns nicht wieder betrügen kann.

Warum hat Georgien offiziell seine Unabhängigkeit gar nicht erklärt?

Weil wir das schon 1918 gemacht haben. Wozu bräuchten wir eine zweite Erklärung? Auch das ist eine völkerrechtliche Frage. Unsere Regierung hat nie gegenüber der UdSSR kapituliert.

Woran liegt es, daß die Opposition so schwach ist? Wie begegnen Sie dem Vorwurf, den Weg in eine Diktatur vorzubereiten?

G: Das sind alles Lügen der Agenten des Kreml. Eine wirkliche Opposition existiert nicht. Kriminelle Elemente, Hooligans, Räuber und Banditen haben sich entschlossen, in die Politik zu gehen. Das ist doch keine Opposition? Eine Reihe der bewaffneten Banden haben wir in der Tat arrestiert. Und nun kommt die Opposition und behauptet, wir leben in einer Diktatur. Der Nationalkongreß repräsentiert ein Prozent unserer Bevölkerung, mehr nicht. Und das sind die Verwandten und Bekannten der sogenannten Oppositionellen. Dieser Kongreß erfüllt die gleiche Funktion wie anderswo die Interfront oder die Moskauer Rettungskomitees. Eigene Positionen haben die gar nicht. Dieser Banditenkongreß will unser Referendum nicht mitmachen. Sie sagen, wenn wir das unterstützen, stärken wir nur die Stellung Gamsachurdias. Die denken überhaupt nicht an Georgien, ihr einziges Motiv ist die Feindschaft zu mir.

Interview: Klaus-Helge Donath

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