: Konstruktiver Journalismus?
■ “Angsthasenpolitik“ — Kommentar, taz v. 11.3.91
Ich habe mich nun doch entschlossen, wenigstens kurz zu dem Text von Jürgen Franke über die Anhörung der Grünen am 10.3.91 Stellung zu nehmen, denn es steht mir nicht zu, die Diskussion und Auswertung der Kulturproduzenten, die diese Anhörung initiiert und durchgeführt haben, vorwegzunehmen, aber ich möchte mich als Mitinitiator wenigstens zu der Fahrlässigkeit der Berichterstattung äußern.
1. Das Personalproblem der taz, nämlich EINE Person alle Anhörungen der 4 Parteien verfolgen, bewerten und in beziehung setzen zu lassen (bei der SPD und CDU war niemand da, über die FDP schrieb eine Journalistin aus der Politik) sollte nicht an einer Partei ausgelassen werden.
2. alle Parteien, bzw. die Kulturproduzenten haben ganz bewußt Bremerhaven als Problemfeld ausgeklammert, da die schon eh schwierige Diskussion dadurch noch zusätzlich verkompliziert worden wäre.
3. Jürgen Franke hat anscheinend das Eingangsreferat von Helga Trüpel verschlafen (11.30h sonntags ist ja auch früh) oder war nicht in der Lage es zusammenzufassen, denn sonst hätte er unter anderem hören müssen, daß die Grünen den Kulturetat auf 3% in einem Stufenplan erhöhen wollen, über Förderung der Filmkultur als Schwerpunkt, Steuervergünstigungen für den Kunsthandel bis hin zur inhaltlichen Verzahnung des Ressorts Bildung-Wissenschaft und Kunst als Kulturmultiplikatoren, usw. usw.
Es ist nicht meine Aufgabe über diese Anhörung zu berichten. Der Artikel von Jürgen Franke tat es auch nicht. Die taz sollte sich die Tonbänder der 4 Anhörungen zu Gemüte führen, die Parteien vergleichen, die einzelnen Schwerpunkte veröffentlichen, kritisieren und vor allem Zusammenhänge herstellen. Das wäre ein fairer und vor allem für die Kultur konstruktiver Journalismus. Neugierig, ob Ihr das schafft,
Norbert Kentrup
“Auto-Rapsodie“ — taz v. 18.3.91
Man/n stelle sich nur vor: Ein taz-Reporter sitzt mit großen Augen in einer Infoveranstaltung der Atomindustrie und lauscht entzückt den so perfekten Reden. Gleich darauf eilt er an die Satzmaschine und teilt uns, den uninformierten Lesern, mit: Atomstrom ist billig, sauber... usw. Undenkbar??
Warum, wo doch eben diese Glanzleistung mit dem Artikel über den mit Raps betriebenen Automotor vollbracht wurde. Geblendet von den riesigen Raps-Monokulturen (die ja so wunderbar gelb blühen) vergißt der Schreiber prompt all das, was schon oft genug in verschiedenster Weise in der taz zu lesen war: Das Auto ist und bleibt als Massenverkehrsmittel ein Irrsinn und ist nur möglich durch die Ausbeutung unserer Umwelt und der Dritten Welt.
Selbst wenn es gelänge, mit dem täglichen Zahnpastaspülwasser einen Kleinwagen 100 km weit fahren zu lassen: Was sind die Kosten bei der Rohstoffgewinnung, bei der Produktion, beim Straßenbau, bei der verschandelten Natur usw.?
Zur Herstellung eines Mittelklassewagens werden 400 000 Liter Wasser benötigt - und da hilft auch kein Gewicht im Klosett zum Wassersparen auf der taz-Toilette!
Nun haben wir uns daran gewöhnt, nicht in der Weser zu baden und daß zum „normalen Leben“ ein Auto und ein Kühlschrank gehören. Wie relativ wird das alles bei der Vorstellung, die sogenannte Dritte Welt wollte das auch alles. Innerhalb kürzester Zeit würde das Weltklima kollabieren! Selbst wenn all diese Autos dann mit dem so schön blühenden Raps laufen würden!
Klaus Schafstädt
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