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Die Sieger ratlos nach der Schlacht

Die Bush-Administration muß zugeben, daß sie keine Nachkriegspolitik hat/ Powell: Truppenpräsenz im Irak kann länger dauern/ Verhandlungen über US-Militärbasis im Nahen Osten/ Ernüchterung über Ausbleiben des Wirtschaftsaufschwungs  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Für eine vermeintliche Siegermannschaft bietet die Bush-Administration derzeit ein recht hilfloses Bild. Da tritt Oberbefehlshaber George Bush mit seinem türkischen Besucher Özal bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus vor die Kamera und muß zerknirscht zugeben, daß Saddam Hussein auch nach seiner jüngsten Regierungsumbildung „immer noch das Sagen hat“. Da läßt General Norman Schwarzkopf irakische Kampfflugzeuge vom Himmel holen, um eine Bekämpfung der aufständischen Kurden und Schiiten aus der Luft zu unterbinden, während Saddams Helikopter ungestört zu selbiger Mission weiterfliegen dürfen. Und da gibt Stabschef Collin Powell unumwunden zu, daß die Politikdebatte innerhalb der US-Administration darüber, ob der Fall des besiegten Diktators nun besser durch einen Abzug der US-Truppen oder durch deren anhaltende Präsenz im Süd-Irak herbeigeführt werden kann, noch nicht entschieden ist.

Dabei ist das Ziel der US-Politik klar. Nach einem „freundlicheren und sanfteren Amerika“ möchte die Bush-Administration in Bagdad nun eine freundlichere und sanftere Militärdiktatur ohne Saddam Hussein etabliert sehen. Wie dies allerdings erreicht werden kann, ohne daß der Sturz des Diktators gleichzeitig die Gefahr einer Machtübernahme durch die vom Iran unterstützten Schiiten heraufbeschwört, ist den US-Strategen allerdings ein Rätsel. „Wir hatten keinen Plan, als wir dort reingingen“, sagt der ehemalige Nahostberater der Carter-Administration, William Quandt. „Und wir haben keinen Plan, wie wir da wieder rauskommen.“

Die Nahostpolitik der Bush-Administration, so faßt der Radiokommentator Daniel Shorr die Vorstellung Washingtons zusammen, bestehe derzeit ausschließlich im „Händeringen“. In den „Denkfabriken“ der Hauptstadt wird unterdessen bereits das Gespenst der „Libanonisierung des Irak“ diskutiert.

Um diese nicht nur von den USA befürchtete Aufsplitterung des Landes zu verhindern, das die Alliierten nach den Worten der UNO gerade ins „vorindustrielle Zeitalter“ zurückgebombt haben, sollen die amerikanischen Besatzungstruppen zunächst einmal weiter im Süden des Irak verbleiben. Erst wenn die arabischen Alliierten ihre neuen Sicherheits-Arrangements an der Grenze zum Irak ausgearbeitet hätten, so Powell, könnten sich die US-Truppen aus dem südlichen Teil des Irak zurückziehen.

Powell erklärte ferner, daß die USA kurz vor dem Abschluß eines Abkommens mit ihren arabischen Verbündeten über die Verlagerung des Hauptquartiers des „Central Command“ aus Florida an einen noch unbestimmten Ort im Nahen Osten stehen. Damit geht im Gefolge des Golfkriegs der langgehegte Wunsch des Pentagon nach einer logistischen Präsenz der USA in der Region in Erfüllung, der bisher von den arabischen Regierungen aufs Schärfste bekämpft worden war.

Indirekt gab Powell auch ein Versagen (oder war es gezielte Desinformation?) der US-Geheimdienste zu. Zu Beginn des Bodenkrieges hätten sich im Kriegsgebiet weitaus weniger als die damals geschätzten 540.000 irakischen Soldaten aufgehalten. Eine Schätzung der CIA über die Zahl der getöteten Iraker gebe es nicht, erklärte Powell, nachdem mit dem 'Wall Street Journal‘ am Freitag auch das erste etablierte Medium eine Zahl von 100.000 irakischen Kriegsopfern zitiert hatte. Bisher waren solche Quantifizierungen der menschlichen Kosten des Krieges auf Seiten des Gegners von den US- Medien aus Gründen der Staatsräson immer vermieden worden.

Nach der Euphorie des Sieges macht sich Ernüchterung breit

Unterdessen sind in der amerikanischen Öffentlichkeit nach Wochen der Euphorie die ersten Anzeichen für eine gewisse Ernüchterung über die Folgen (oder Nichtfolgen) des Golfkriegs zu erkennen. Während General Schwarzkopf in der 473. Folge seines Prominenten-Interviews mit dem TV-Star Barbara Walters Sätze vom Stapel läßt wie: „Manchmal bin ich ein Grizzlybär, manchmal aber auch nur ein Schmusebär“, fragen sich die Angehörigen vieler Golfkrieger, wie lange ihre Liebsten nach dem „sauberen Sieg“ (so General Powell) denn jetzt noch am Kriegsschauplatz verweilen sollen. Während sich die Fernsehstationen und Kleinstäde zu ihren Jubelparaden rüsten, werden US-Bürger und Heimkehrer durch die Berichte über brutale Polizeiübergriffe in Los Angeles daran erinnert, daß es in den Innenstädten der USA rein statistisch gesehen weitaus gefährlicher ist, als an der Front des Wüstenkrieges.

Und während die Fernsehwerbung kein Produkt mehr ohne eine patriotische Referenz zum Sieg „unserer Jungs und Mädels am Golf“ anpreist, wird den Verbrauchern langsam klar, daß es mit dem vielbeschworenen Überschwappen des „Vertrauens“ aus dem Persischen Golf in die trübe Pfütze des heimischen Wirtschaftsleben doch nicht so weit her ist.

Zwar sind an der Westküste die Verkaufszahlen für Surfbretter in die Höhe geschnellt, nachdem auch der letzte CNN-Geschädigte wieder an den Strand zurückgekehrt ist — auch die Plastik-Chirurgie, so versichert uns die 'New York Times‘, habe wieder volle Auftragsbücher —; doch mit dem Großteil der Truppen noch am Golf oder auf hoher See, lassen die ökonomisch ungleich bedeutsameren Autokäufer weiter auf sich warten. „Auch ich finde den Sieg großartig“, so ein von der Verbraucherforschung befragter US-Bürger. „Nur ein neues Auto kann ich mir immer noch nicht leisten“.

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