: EVOL 4 — The Night of Pain
■ Betrug, Zerfall, Ostern
alone, alone, all all alone
alone on the wide wide sea
and christ would take no pity on
my soul in agony.
Samuel Taylor Coleridge (1798)
»evol« als Begriff kommt aus dem englischen. Abgeleitet von »evil« — bösartig; und »love« — rückwärtsgelesen. »evol« existiert als Wortschöpfung etwa solange, wie es Aids gibt. Der Begriff zieht durch alle Register der Kultur. Als LP-Titel von Sonic Youth, in zeitgemäßer Literatur (ob kommerziell oder nicht), in den Romanen des Kriminalautors James Ellroy, wo Cop/Mörder gleichsam Psychopathen sind, nur der erstere kann, als Gehaltsempfänger getarnt, länger damit leben.
Auch in Stephen Kings Roman »The Dark Half«, wo der wahnsinnige Killer Sätze murmelt wie: »Love will always find its way« — kurz bevor er mindestens zwei Leuten die Kehle aufschlitzt. Aber, und vor allem: ein Filmgenre wird damit tituliert. Dort, wo Mord nicht mehr der gute, alte, im Sinne von Agatha Christie ist, sondern wo in brutalster Weise gehackt, gemetzelt, geschlitzt wird, das ganze in Massen und im Detail.
Was »evol« mit Aids zu tun hat, liegt auf der Hand. Die nächste Person, mit der du ins Bett gehst (oder wohin auch immer...),kann ja dein Tod sein.
Russisches Roulette, meine Freunde, und zwar im Namen von »love/evol«. Dies passt wiederum in unsere irrwitzig schnellebige Zeit, sonst gezeichnet von Betrug, Zerfall, Dekadenz. Vor 250 Jahren hatte man als Aristokrat und Lebemann für den Fall der Fälle (Syphillis war nicht heilbar, die Zeit ähnlich dekadent) ein kleines Flakon dabei, das einen schnell und schmerzlos aus den Fesseln der Realität befreien konnte.
Man denke auch an das römische Empire, das durch den Dreiklang (Wein, Weib, Gesang), Syphillis und deren Endstadium — der Wahnsinn — , durch Kaiser wie Nero, der zur Inspiration eines neuen Schlagers auf der Harfe eine brennende Stadt brauchte, zugrunde ging.
Bei Gott wünscht man sich da nicht einen Erlöser, einen wiederauferstandenen Vollstrecker des Testaments, einen wiedergeborenen Christen, der die Menschheit rettet vor ihrer eigenen Schande. Seltsam, ich rieche Massenmord. Krieg. Apocalyps now. Könnte das nicht ein ein zumindest »glücklicher« Gedanke sein ?
Das Grab öffnet sich. Eine halbverweste Gestalt kriecht heraus, um mit einer Rasierklinge oder wasimmerduwillst Ordnung zu schaffen, damit Ruhe ist. Einfürallemal Er zeigt uns den Ursprung, das verlorene Paradies — dort, weit hinter dem Horizont, in der Stadt namens Endsville. Der Stadt ohne Schmerz und Pein, wo die Qual endet und nur »glückliche« Gedanken fließen — und »love«. Peter K.
Und zur Feier dieses oder des umgekehrten Zustandes von »love« und »evol« spielen heute im Ecstasy Säubrenner, End Of Silence, Royal Crown Crew, PLO, Cheesus, Hoover Flag, H.S.M. und Dr. Cranc (+Filme). Am Sonntag Skippy, Knochen=girl, KX Noiz System (Kiwi Sex), 3 Tot und Satan Panonski. Beginn jeweils ca. 23.30 Uhr.
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